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HNA, 3. Juli 2018 |
Andreas Günther |
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Wagner: Parsifal, Bayerische Staatsoper, ab 28. Juni 2018
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Mythos lebt im Orchestergraben |
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Wagner-Glück beim Münchner "Parsifal": Statische Inszenierung, doch musikalisch eine Sternstunde
Wie modern ist Wagners „Parsifal"? Erstaunlich modern. Es geht um Sex,
Kastrationsangst, die Beziehung von Frau zu Mann, die Bestimmung im Leben
und um eine auseinanderfallende Männergesellschaft - wie gerade bei der
Fußball-Nationalmannschaft. Es gibt viel zu erzählen und zu zeigen.
Insofern ist die Neuinszenierung des „Parsifal" für die Sommerfestspiele der
Bayerischen Staatsoper eine Tragödie. Denn sie zeigt nichts, bezieht keine
Stellung. Eigentlich müsste man die Gage des Regisseurs kürzen. Spielleiter
Pierre Audi setzte für die Proben mehr als fünf Wochen an - und leistete
wenig. Immerhin war er Intendant der Oper in Amsterdam, aber vielleicht war
er verschreckt. Denn die Staatsoper in München hatte einen noch mächtigeren
Künstler als Bühnenbildner engagiert, ein regelrechter Coup: Georg Baselitz.
Der Großmeister, 80 Jahre alt, hat aber auch nicht zur großen Inspiration
gefunden.
Es wird viel gestanden und viel gekniet, echte Interaktion
kommt nicht auf. Zudem fürchten sich Audi wie Baselitz vor den großen
Symbolen. Es gibt keinen Gral, der Speer sieht aus wie ein längerer
Grillspieß. In der Gralsszene im ersten Aufzug entledigt sich der Herrenchor
seiner Kleider und tapst nackt im Wald herum. Wer sich als Baselitz-Fan
versteht, wird entzückt sein, dass der Meister sein Bühnenbild typisch
kontert: Im dritten Aufzug hängt der Wald senkrecht aus dem Schnürboden.
Wer die tieferen Gedanken sucht, wird im Programmheft fündig. Die
Tragödie hinter der Tragödie: Dieser uninspirierte „Parsifal" löst die
großartige Deutung von Peter Konwitschny ab, die von den Kritikern als
Inszenierung des Jahres gefeiert und über 20 Jahre gespielt wurde. Aus,
vorbei.
Vielleicht sind nur wirkungsvolle Bilder wichtig. Hier
punktet der „Parsifal" : Alles wirkt düster, der Wald gleicht einem
Scherenschnitt, abgemagerte Menschen werden auf die Vorhänge gemalt
(natürlich kopfüber). Das lässt sich schmerzfrei betrachten.
Aber:
Die musikalische Seite ist grandios — hier treffen sich die größten, besten
Wagner-Sänger ihrer Generation. Während das Regieteam Buh-Rufe einstecken
musste, wurden die singenden und klingenden Vertreter gefeiert. Kirill
Petrenko, Chef des Hauses und baldiger Beherrscher der Berliner
Philharmoniker, wird wie ein Halbgott gefeiert. Jede Petrenko-Vorstellung
ist auf Monate hinaus ausverkauft. Seinen „Parsifal" beginnt er mit ruhiger
Hand, die Tempi strecken sich, trotzdem gibt es keine Einbrüche im
Spannungsbogen - bis zum Schlussakkord nicht. Allein dies ist eine
Meisterleistung. Zudem erreicht Petrenko starke Farben, ohne das
Staatsorchester zu hoher Dynamik zu pressen - die Sänger kommen frei und
perfekt verständlich über die Rampe. Petrenko erschafft wunderbare,
verwundernde Momente. Ganz großes Klangkino. Die Sänger halten mit. Eine
prominentere, idealere Besetzung kann man nicht engagieren.
Einen besseren Parsifal gibt es nicht Wen zuerst hochleben
lassen? Christian Gerhaher interpretiert Amfortas als gebrochene Gestalt -
auch stimmlich. Jeder Ton entsteht aus Schmerz und Aggression gegenüber den
unerbittlichen Rittern. Das ist eine intellektuelle Großarbeit, wunderschön
- ein reiches Rollenporträt, wie es das Haus an der Maximilianstraße,
Deutschlands größte Oper, seit Jahrzehnten nicht erlebt hat. Ren€ Pape
stimmt den Gurnemanz an - voll Wohllaut und perfekt in der Deklamation. Die
Fans kamen natürlich wegen Jonas Kaufmann in der Titelrolle. Der Tenor
zeigte Kraft und Brillanz— nach seinem „Amfortas"-Ruf im zweiten Akt hätte
man eine Stecknadel fallen hören können. Einen besseren Parsifal findet man
derzeit auf den Weltbühnen nicht. Ebenso die Kundry von Nina Stemme; die
Schwedin hatte viel Süße und Schlagkraft in der Stimme, die Verführungsszene
im zweiten Aufzug zeigte die animalische Kraft der Partitur.
Am 8.
Juli überträgt die Staatsoper ihren „Parsifal" live als Happening auf den
Platz vor der Oper - und per Webstream über die hauseigene Homepage. Weitere
Aufführungen: 5., 8., 31. Juli, 24., 28., 31. März 2019. |
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