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Wiener Zeitung, 26.11.2018 |
Von Joachim Lange
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Verdi: Otello, Bayerische Staatsoper, ab 23. November 2018
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Die graue Maus von Venedig |
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Die Inszenierung von "Otello" liefert mehr Behauptung und Fragezeichen als schlüssige Lösungen. |
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Für München ist dieser "Otello" eine Premiere der Premium-Klasse. Jonas
Kaufmann als Titelheld, Anja Harteros als Desdemona und Gerald Finley als
Jago - das weckt Erwartungen! Dazu der Noch-GMD Kirill Petrenko, der, nicht
erst seit sein Wechsel nach Berlin klar ist, ein Liebling der Münchner ist.
Der Russe bestätigt diesen Ruf jedes Mal von Neuem. Auch bei Verdis später
Shakespeare-Oper. Anja Harteros ist eine bewährte, wenn auch eher damenhafte
als leidenschaftliche Desdemona mit ebenso durchkalkulierten Ausbrüchen wie
Piani. Jonas Kaufmann fährt alles auf, was er zu bieten hat, ohne die
Anstrengung zu verbergen. Gerald Finley ist als Jago ein erstklassiger
Oberbösewicht, wenngleich man sich sein Credo eine Spur diabolischer
vorstellen könnte. Wenn bei diesem Trio Wünsche offenbleiben dann irgendwo
zwischen hochprofessionell und wirklich mitreißend.
Kirill Petrenko
hat die Chance auf einen streckenweise autonomen Verdi-Sturm im Graben und
nutzt sie weidlich aus. Er ist mit seinem präzisen, entfesselten und dann
wieder gezügelten Dirigat der Temperatur im gut geheizten Nationaltheater
nahe. Amélie Niermeyers Inszenierung in Christian Schmidts doppelbödiger
Zimmerarchitektur auf der Bühne eher den Außentemperaturen. Herbstnebel
inklusive.
Folgeschäden einer gut gemeinten Inszenierung
Dass
die Regisseurin für sich ausschließt, einen weißen Sänger als Otello schwarz
anzumalen, ist ihr gutes Recht. Solange sie nicht anfängt, auch noch die
Shakespeare Vorlage und Boitos Libretto zu korrigieren. Kann gut sein, dass
die Oper mit dem tiefschwarzen Cover um das schneeweiße Programmbuch zu den
Auswüchsen der Blackfacing-Debatte ein ironisches Fragezeichen mitliefern
wollte. Aber wenn man Shakespeares und Verdis "Mohr von Venedig" zu einem
mittleren Angestellten von München, einer grauen Maus, macht, dann hat das
Folgeschäden für das Tempo und die Intensität, mit der Otello und Desdemona
ihre Beziehung, ja ihr Leben vor die Wand fahren.
Auch der für
Christian Schmidt typische Bühnenraum, dessen kleine Ausführung samt Kamin
und sparsamem Interieur noch einmal in groß gedoubelt ist, für Innen und
Außen reicht, bietet neben verführerischem Charme ein Problem. Er
verkleinert die Figuren auf ein bürgerliches Normalmaß, bei dem zwar Gewalt
in der Ehe nicht auszuschließen ist, aber doch eher Therapeut,
Scheidungsanwalt oder schlimmstenfalls ein Frauenhaus die probaten
Konfliktlösungsstrategien wären.
Was Annelies Vanlaere mit ihren
Kostümen im Sinne hatte, bleibt ein Geheimnis. Wenn es einen Preis für
unvorteilhaftes Schneidern gäbe - sie wäre mit ihrer Kollektion eine
Anwärterin.
Die Inszenierung liefert mehr Behauptung und Fragezeichen
als schlüssige Lösungen. Verspricht mit der Sturmszene zum Auftakt, die
Desdemona allein zwischen Angst und Erwartung in ihrem Zimmer zeigt und bei
Wiederbegegnung mit Otello überdeutlich fremdeln lässt, ein Beziehungsdrama,
das sich dann eher hinschleppt, als entfaltet. Emilia hat da noch die besten
Chancen auf Sympathiepunkte. Vor allem wenn sie ihrem intriganten Gatten
eine scheuert. Sonst ist diesmal nicht immer gleich der göttliche Morpheus
am Werke, wenn jemand entschlummert - manchmal reicht dazu die Regisseurin.
Nur der Dirigent verhindert dann solche Ausflüge ins Reich der Träume.
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