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SWP, 26.11.2018 |
Otto Paul Burkhardt |
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Verdi: Otello, Bayerische Staatsoper, ab 23. November 2018
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Jubel für Verdis „Otello“ in München |
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Manchen war die Aufführung nicht italienisch genug. Andere hörten Schärfen in der Stimme von Anja Harteros und ein zu lautes Orchester. Wiederum andere meinte, Amélie Niermeyers Inszenierung tue niemandem weh. Und selbst wer am neuen „Otello“ der Bayerischen Staatsoper nichts auszusetzen hatte, vermisste wenigstens die unter einer aschbraunen Kurzhaar-Perücke verschwundenen Locken von Jonas Kaufmann. |
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Wer hat Mitleid mit Otello? Mit jenem schwarzen Kriegshelden und Aufsteiger,
der seine Frau wegen eines windigen Verdachts aus Eifersucht tötet? Und wer
leidet mit Desdemona, Otellos Vorzeigegattin aus gutem Hause, die gehofft
hat, ihn gegen die Vorbehalte der weißen Upperclass zu einem Mustermann
erziehen zu können? Abgründig das alles, und Bezüge zu heute ergeben sich
von selbst. In München – am Freitag feierte Verdis „Otello“ Premiere –
erzählt Regisseurin Amélie Niermeyer ein seltsam grau wirkendes Ehedrama,
nicht die Tragödie eines flammend verliebten, sondern eines bereits
ausgebrannten Paares. Szenen einer Ehe? Sensibel inszeniert, mit viel
Psychologie und politischer Korrektheit fein austariert. Doch angesichts des
hochexplosiven Stoffs zuweilen auch ein bisschen fad.
Moderates
Regietheater Einen Vorteil hat das: Hier muss niemand Tarnanzüge, MPs und
Aktualitäts-Gehubere fürchten. Niermeyer bietet eher das, was man moderaten
Regietheater-Standard nennen könnte. Die Bühne (Christian Schmidt) changiert
zwischen öder Empfangshalle und tristem Schlafgemach, in dem es trotz
Kaminfeuers eher fröstelt. Und, eine nicht unbedingt neue Idee: Das Ehebett
gleicht einer psychoanalytischen Couch. So verläuft auch das Wiedersehen des
siegreichen Schlachtenlenkers Otello mit Desdemona ernüchternd – er setzt
sich und vergräbt sein Gesicht in den Händen. Ein traumatisierter Held.
Einer, der ständig weiter im Krieg mit sich und der Umgebung bleiben wird.
Klar, Blackfacing, das Dunkelfärben von Gesichtern, war gestern.
Schließlich ist der umschwärmte schwarze Feldherr Otello, den der Bösewicht
Jago als „Ungeheuer mit dicken Lippen“ mobbt, nicht nur ein „Mohr“, wie es
im Libretto heißt, sondern auch ein Außenseiter. Einer von unten, der sich
hochgearbeitet hat. Doch wie das auf die Bühne bringen? Amélie Niermeyer
bleibt auch hier vage. Ihr Otello sieht im grauen Arbeitsanzug eher wie ein
Büroleiter als ein Truppengeneral aus. Immerhin bebildert Niermeyer
Desdemonas aus den Fugen geratende Welt mit Videofahrten, in denen die Bühne
schwindelerregend zu schwanken beginnt. Das ist schon das Äußerste. Eine
verstörende Regie sieht anders aus.
Doch vielleicht wäre dies bei
einer derart hochkarätigen Besetzung gar nicht hilfreich. Mit Jonas Kaufmann
und Anja Harteros steht das aktuelle Opern-Traumpaar auf der Bühne.
Kaufmann, mit Kurzhaarschnitt, gibt einen düsteren Otello, keinen
charismatischen Triumphator, sondern einen dauerzerknirschten Grübler. Den
freilich stattet er trotz kleiner Schwächen mit schmachtenden bis feurigen
Höhen aus. Und mit nach wie vor hauchzartem Pianissimo-Schmelz. Anja
Harteros’ Desdemona ist dank der Regie kein rührendes Opferlamm, sondern
eine Kämpferin, die zusehen muss, wie ihr Muster-Aufsteiger Otello zum
leicht manipulierbaren Choleriker schrumpft. Ein langer Weg des
Erschreckens, den sie in weichen, vollen, schwebenden Kantilenen
ausdrucksvoll nachzeichnet.
Fehlt nur noch Jago, der diese kipplige
Beziehung vollends vergiftet: Gerald Finley gibt ihn als agilen Fiesling mit
suggestiv kraftstrotzendem Bariton, der ebenso machtvoll dröhnen wie
scheinheilig sülzen kann. „Ich glaube an einen grausamen Gott“, singt er und
zeigt ins Publikum.
Den stärksten Kontrapunkt zu einer allzu
konfliktscheuen Regie liefert Kirill Petrenko mit dem Bayerischen
Staatsorchester. Unglaublich, wie er es toben, donnern, blitzen und krachen
lässt („es ächzt das Universum“), wie er die fragile Liebe der beiden noch
einmal in schwelgenden Farben zum Leuchten bringt – kurz, wie er wirklich zu
Herzen gehende Seelendramen inszeniert. Alles in allem: eine nirgends
aneckende Regie und eine dafür fulminant dramatisierte Musik. Viel Jubel für
Petrenko, das Orchester und die Solisten.
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