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BR Klassik, 24.11.2018 |
von Fridemann Leipold |
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Verdi: Otello, Bayerische Staatsoper, ab 23. November 2018
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INNIGE TÖNE UND EIN ELEMENTAREREIGNIS |
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Im Juni 2017 debütierte Jonas Kaufmann in London als Otello in
Giuseppe Verdis gleichnamiger Oper, jetzt singt der 49- jährige Startenor
die mörderische Partie in einer Neuproduktion der Bayerischen Staatsoper -
mit heldischer Kraft und hauchzarten Tönen. |
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Von Anfang an zeigt Regisseurin Amélie Niermeyer den Titelhelden nicht als
strahlenden Sieger: Otello ist bei ihr ein einfacher Offizier, später dann
ein Durchschnittsmensch im Büro-Outfit mit Hosenträgern. Jonas Kaufmanns
Lockenpracht ist einem brav gescheitelten Kurzhaarschnitt gewichen.
Blackfacing verbietet sich heute sowieso. Niermeyer inszeniert die Beziehung
zwischen Otello und Desdemona als Szenen einer Ehe, die gründlich
schiefgeht. Sie tut das mit einer ausgefeilten Personenregie, mit vielen
Details und einem genauen Blick auf die Geschlechter.
IM KERN EIN
KAMMERSPIEL In der richtigen Erkenntnis, dass Verdis "Otello" im Kern ein
Kammerspiel ist, hat ihr Bühnenbildner Christian Schmidt für alle Szenen
einen variablen Zwanziger-Jahre-Salon mit Kamin und hohen Fenstern gebaut,
der immer wieder andere Raumperspektiven eröffnet – im Stil eine Mischung
aus Psychiatrie und dem kalten Ambiente der Münchner Musikhochschule.Die
Kostüme von Annelies Vanlaere sind zeitlos heutig, Jago kommt leger in
T-Shirt und Sneakers daher. Kein Bilderbuch- Fiesling, eher ein kumpelhafter
Typ. Nicht nur daran liegt es, dass der Intrigant hier wenig dämonisch
wirkt: Mit dem Kanadier Gerald Finley ist der Jago gegen die Konvention mit
einem leichteren Bariton von sonorem Wohlklang besetzt. Im nihilistischen
"Credo" des Jago geht Finley dann aber doch ein wenig die dramatische
Schwärze ab.
HELDISCHE KRAFT MIT INNIGEN TÖNEN Mit der Erfahrung
der versierten Schauspielregisseurin zeigt Amélie Niermeyer drastisch, wie
Cassio, angestiftet von Jago, betrunken gemacht wird. Mit seinem hellen,
strahlkräftigen Tenor lässt der junge Evan LeRoy Johnson aufhorchen. In der
vermeintlich lieblichen Gartenszene wirkt Desdemona, unter Blumen begraben,
auf dem allgegenwärtigen Bett schon wie aufgebahrt. Schlüssig zeigt
Niermeyer, wie Otello sich mehr und mehr in seinen Wahn hineinsteigert.
Jonas Kaufmann verkörpert das sehr glaubwürdig, stimmlich überzeugt er
einmal mehr mit seiner heldischen Kraft – diesmal auch mit hauchzarten,
innigen Tönen.
DA GEHT NOCH MEHR Trotzdem spürte man, auch im
Vergleich zu Kaufmanns Londoner Otello-Debüt: Da geht noch mehr in den
Folgevorstellungen, wenn der Premierendruck weg ist. Wie immer trägt Kirill
Petrenko seine Sänger auf Händen, atmet mit ihnen, sorgt in den Ensembles
und in der Koordination mit dem stimmgewaltigen Staatsopernchor für
beispiellose Präzision. Überhaupt, was Petrenko beim späten Verdi aus seinem
Staatsorchester an Klangfarben herausholt, ist wieder einmal enorm: Das
reicht von bodenlos fahlen, fast impressionistischen Klängen bis zu
messerscharfen Attacken.
ANJA HARTEROS - EIN ELEMENTAREREIGNIS
Liebevoll zeichnet Petrenko musikalische Phrasen nach, was vor allem von
Anja Harteros dankbar aufgegriffen wird. Hatte Verdi einmal mit dem Titel
"Jago" für seine Oper gespielt, so könnte sie bei Amélie Niermeyer
"Desdemona" heißen. Auch wenn man sich fragt, wieso Desdemona ausgerechnet
diesem Normalo und Weichei verfällt. Ein Otello müsste doch auch etwas von
einem Macho und Kriegsherrn haben, erotische Ausstrahlung, Charisma. Dafür
ist Anja Harteros hier eine stolze, selbstbewusste Frau, die immer auf der
Bühne präsent ist – auch wenn sie nicht singt. Und wenn sie das tut,
überstrahlt sie mit ihrem flutenden Timbre, ihrer gurrenden Tiefe und ihrer
lyrischen Noblesse alle anderen – ein Elementarereignis.
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