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Nürnberger Nachrichten 12. Mai 2018 |
VON JENS VOSKAMP |
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Konzert, 9. Mai 2018, Nürnberg, Meistersingerhalle
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Leiden an der Liebe |
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Star-Tenor Jonas Kaufmann triumphierte in Nürnberg |
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Keine Frau kann einlösen, wenn sie als die Schönste auf der Welt angekündigt
wird. So ähnlich geht es Jonas Kaufmann: Alle erwarten von dem 48-jährigen
Muster-Tenor stets Wunderdinge. ln der Nürnberger Meistersingerhalle gab er
in einem französischen Opernmedley sein Bestes. Und das ist wahrlich nicht
wenig.
Man kennt sie zur Genüge, jene Arienrecitals, in denen ein
Superstar angepriesen wird, aber den Großteil des Programms das Orchester
und künftige Sängerhoffnungen bestreiten. Nicht so bei Jonas Kaufmann. Er
geht ohne gefällige Anlaufstrecke mit ,,O Paradis" aus Meyerbeers
,,Afrikanerin" gleich in die Vollen und präsentiert ein Auftritts-Entree,
das gespickt ist mit Höchstanforderungen: unendlich lange Legatobögen und
Spitzentöne, die quasi aus dem Stand zu nehmen sind.
Dabei setzt er
gleich sein Markenzeichen ein: Wie er aus der Intimität eines extremen
Falsetts in die Explosionskraft eines voluminösen Forte überwechseln kann.
Kenner bezeichnen dieses An- und Abschwellen eines Haltetons als ,,messa di
voce". Wörtlich übersetzt heißt das, ,,die Stimme setzen" und meint doch
nichts anderes, als die Vokalfarbe dem individuellen Gefühlsmoment
anzupassen. Und darin ist Kaufmann ein wahrer Könner. Zumal wenn es
thematisch um die Liebe geht. Die ist in der Oper generell nie ungetrübt,
meistens in Dreiecksverhältnisse verstrickt und nicht selten unerwidert oder
ausweglos. Aber wenn Kaufmann am Ende der Blumenarie aus ,,Carmen" sein
verzweifelnd flehendes ,,Je t'aime" fast lautlos ausformt, fühlt sich wohl
jede Dame im Saal gemeint.
Ähnlich intensiv und expressiv kämpft der
Sänger als Eleázar um seine Tochter Rachel, die in der Oper ,,Die Jüdin" von
Jacques Fromental Halévy ihr Herz an einen Kreuzritter zu vergeben droht. Es
sind die Intensität und Glaubwürdigkeit, mit der Kaufmann seine Rollen
auflädt, die seine große Kunstfertigkeit ausmachen.
So ist die
kalifornische Mezzosopranistin Kate Aldrich weit mehr als eine
Sparringspartnerin zum Füllen der tenoralen Ruhepausen. Schon in der
Habanera kommt eine Carmen zur Geltung, die Selbstbewusstsein mit
knisternder Erotik paart. Und mit Kaufmann gestaltet Aldrich zwei packende
dramatische Akt-Finale: aus Massenets ,,Werther" sowie die Schluss- und
Mordszene vor der Arena aus ,,Carmen". Obsessive Leidenschaft, einmal
kultivierter (in der Goethe-Vertonung), mal wilder Geschlechterkampf - aus
dem Stand abgerufen.
Das alles untermalt die stattliche
Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz mit einem satten, nuancierten, aber wo
nötig auch vollmundigen Sound. Jochen Rieder gehört sicher nicht zu den
charismatischsten und schlagtechnisch raffiniertesten Pultlenkern, aber er
ist seit vielen Jahren ein enger Wegbegleiter von Jonas Kaufmann und genießt
dessen uneingeschränktes Vertrauen. Der Dirigent weiß, wann er die
orchestralen Deckenfluter abdimmen muss, um den verführerischen Schmelz des
Tenors in schönstem Licht erstrahlen zu lassen.
Die ,,Rheinnixen "
-Ouvertüre bereitet geschickt den Boden für die letzte der drei Zugaben vor:
Mit der ,,Barcarole" entließen die Musiker die anfangs fränkisch
reservierten, am Ende aber doch vollkommen begeisterten Zuhörer in ihre
persönliche Liebesnacht. Jonas Kaufmann triumphierte einmal mehr. Sein
Erfolg ist das Ergebnis einer faszinierenden Mischung aus Aura,
Gestaltungsfähigkeit und Charme. Da haben die Götter einiges richtig
gemacht...
Am 11. Januar 2019 kommt Jonas Kaufmann erneut in die
Meistersingerhalle. Begleitet vom Sinfonieorchester Basel wird er Gustav
Mahlers ,,Lied von der Erde" singen
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