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Hamburger Abendblatt, 26.05.17 |
Von Joachim Mischke |
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Liederabend, Hamburg, Elbphilharmonie, 24. Mai 2017
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Jonas Kaufmann kämpft in der Elphi mit Saal und Publikum |
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Zu viel große Oper, zu wenig Feinschliff: Der Weltklasse-Tenor hatte bei seinem Debüt einige Schwierigkeiten zu überwinden |
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Hamburg. Singen ist menschlich, und: Niemand ist perfekt. Mit diesen
kalenderspruchtauglichen Weisheiten wäre schon ein Großteil eines
erstaunlichen Liederabends umschrieben. Er endete mit Geschenkübergaben,
Handy-Fotos aus Froschperspektiven, Strauss-Zugaben und stehenden Ovationen,
nachdem manche frohgemut mit Dingen geknistert oder leise Passagen ins Aus
geröchelt hatten oder bestens wahrnehmbar Richtung Ausgang geeilt waren. Ein
Weltklasse-Sänger, der sich von diesen Begleitumständen in keinster Weise
stören ließe, muss wohl erst noch gefunden werden.
Jonas Kaufmann,
schon etwas länger everybody's darling als die Elbphilharmonie, und das neue
Hamburger Konzerthaus – die Annäherung des Tenors an die Architektur verlief
nicht unproblematisch: Krankheitsbedingt in eine Stimmband-Zwangspause
geschickt, hatte Kaufmann seinen Auftritt bei der Eröffnungs-Gala absagen
müssen. Auch das bereits für Februar geplante Solo-Debüt war verschoben
worden. Jetzt aber singt er wieder, demnächst steht sein Rollen-Debüt als
"Otello" in London an. Wohl auch deswegen hatte der Auftritt am Mittwoch
einen "Jetzt aber!"- Druck.
Erster prominenter Liederabend im Großen
Saal
Und es war ja nicht nur der Star-Solist, der hier eine Premiere
erlebte. Später als geplant bekam nun auch der Große Saal selbst seinen
ersten Liederabend mit großem Namen als Bewährungsprobe für Atmosphäre und
Proportionen: eine Stimme, ein Klavier, ein Programm, möglichst viele
Facetten. Letzteres jedoch brauchte so seine Zeit. Nachfolgenden
Recital-Gästen möchte man belastbare Nerven wünschen, weil der Kleine Saal
womöglich weniger überwältigend ist als der Große.
Kaufmann hatte
sich aus seinem Repertoire eine wunderbare Kombination zusammengestellt, die
möglichst viel abdecken sollte – den Heldentenor mit nougatdunkel
baritonalem Kern ebenso präsentieren wie den vergrübelten Kammermusiksänger,
den Raritäten-Liebhaber ebenso wie den stilkundigen Wertebewahrer und den
Kunstlied-Durchdringer. Bis zur Pause allerdings wurde vor allem verspannt
gekämpft und noch nicht entspannt gestaltet. Schuberts "Bürgschaft"
überforderte zunächst Kaufmanns Liedbegleiter Helmut Deutsch, der entweder
sich – oder der ungewohnten Saal-Akustik – nicht genug traute, um den Gesang
angemessen zurückhaltend zu umrahmen.
Zu viel große Oper, zu wenig
Feinschliff
Kaufmann zog nach und gleich und übertrieb es mit dem
Eifer, mehrere Charaktere und viele Nuancen gestalten und unterbringen zu
können. Manchen Höhen hörte man ihre Höhe an, die dynamische Detailkontrolle
blieb auf der Strecke. Zu viel große Oper, zu wenig Feinschliff. Ein Gutes
zumindest hatte dieser erste Kraftakt: Kaufmann war danach warmgesungen,
seine Stimme bereit für die elegante Noblesse, die es für das Rendezvous mit
der Musik von Henri Duparc benötigte. Allerliebste, feingesponnene
Tagträumereien, impressionistische Dezenz und eine grazile, lyrisch
aufblühende Lust am versonnenen Flirt mit dem musikalischen Moment. Voilà,
zurücklehnen, genießen.
Nach der Pause schien Kaufmann erleichtert,
denn die Pflicht war geschafft, die Kür konnte kommen. Mit den drei
anspruchsvoll introspektiven Petrarca-Sonnett-Vertonungen von Liszt näherte
er sich seiner Kernkompetenz als Liedgestalter. Auch Deutsch als
Dialogpartner ohne Worte klang nun deutlich ausgewogener. Dramaturgisch klug
gemacht, verflüchtigte sich das Ende dieser Liedgruppe mit der ins
Saaldunkel gehauchten Zeile "Tanta dolcezza avea pien l'aer e' l vento". "So
süß befangen, so lauschten da Luft und Winde." Die Auswahl der Lieder von
Richard Strauss war das reine Vergnügen. Und damit nicht ganz so
reflektiert, wie es möglich wäre. Doch Kaufmann durchlebt diese Liebeslieder
lieber ohne unnötiges Hinterfragen. Er rundete damit ein Konzert ab, das
überzeugender endete, als es begann.
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