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Schwäbische, 14.03.2017 |
Werner M. Grimmel |
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Giordano: Andrea Chenier, Bayerische Staatsoper, 12. März 2017
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„Andrea Chénier“ am Münchner Nationaltheater |
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Viel Szenenbeifall erhielt Umberto Giordanos Oper mit Startenor
Jonas Kaufmann in Titelrolle. |
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Ohne vordergründige Verfremdung hat Regisseur und Bühnenbildner Philipp
Stölzl an der Bayerischen Staatsoper Umberto Giordanos Musikdrama „Andrea
Chénier“ inszeniert – „in historischem Ambiente“, wie es der Untertitel des
Werks fordert. Startenor Jonas Kaufmann in der Titelrolle des jungen
Dichters wurde bei der Premiere mit Ovationen gefeiert. Auch Anja Herteros
als seine Geliebte Maddalena und Luca Salsi als Gegenspieler Gérard
erhielten viel Szenenbeifall. Einige Buhrufe für das Regieteam gingen im
Jubel unter.
Giordanos 1896 in Mailand uraufgeführte Verismo-Oper
wird bis heute selten gespielt. In München gab es schon vor dem Zweiten
Weltkrieg Anläufe zu einer Produktion, doch die dortige Erstaufführung ließ
bis 1975 auf sich warten. In Bregenz kam das Stück 2011 auf die Seebühne.
Das Libretto von Luigi Illica erzählt das tragische Schicksal eines
patriotischen Poeten und der Adligen Maddalena in der blutigen Umbruchszeit
der Französischen Revolution.
André Chénier (in der italienischen
Fassung heißt er Andrea) ist als Gast zu einem pompösen Fest auf dem Schloss
der Gräfin von Coigny eingeladen. Während die Aristokraten gutgelaunt und
abfällig über Nachrichten vom aufmüpfigen Pöbel in Paris plaudern, wird das
sklavenähnlich gehaltene Dienstpersonal schikaniert und darf für dekadente
Vergnügungen der Herrschaft schuften. Barbusige Schäfermädchen führen eine
frivole pseudoantike Pantomime auf. Doch nicht nur im Volk gärt es bereits.
Begeisterungsstürme beim Finale
Als Chénier aufgefordert wird ein
Gedicht vorzutragen, steigert er sich von einem Hymnus auf die Liebe in eine
leidenschaftliche Anklage feudaler Unterdrückung hinein. Jonas Kaufmann
läuft in dieser Szene ein erstes Mal stimmlich zu großer Form auf. Seine mit
heldischem Portamento-Pathos gestützten Tenor-Attacken lösen bei den
hochgestellten Gästen Empörung und bei der Gastgeberin eine kurze Ohnmacht
aus. Beleidigt verweist sie dann auf ihre Almosen und ordnet trotzig zur
Ablenkung eine Gavotte an.
Doris Soffel zelebriert als mondäne, vokal
souveräne Gräfin bei diesem Tanz auf dem Vulkan einen gespenstischen
Lachanfall. Ihre Tochter Maddalena indessen hat schon vor dem Fest gegen das
standesgemäße Rokokokorsett rebelliert. Ihrer plötzlichen Sympathie für den
Dichter und für seine rebellischen Ideen gibt Anja Harteros glaubhaften
Ausdruck. Mit der großartig gesungenen Arie „La mamma morta“ und im finalen
Duett mit Kaufmann löste sie bei der Münchner Premiere wahre
Begeisterungsstürme aus.
Dasselbe gilt für den italienischen Bariton
Luca Salsi, der als Gérard vom einstigen Bewunderer Chéniers zum Ankläger
mutiert. Maddalena hat er seit seiner Zeit als Diener der Coignys heimlich
geliebt. Als Revolutionär will er sie nun in seine Gewalt bringen. Sie
willigt ein, sich ihm hinzugeben, wenn er Chénier vor der Guillotine rettet.
Ihre Opferbereitschaft für den Geliebten bewegt Gérard jedoch zum Verzicht
und zur selbstlosen Verteidigung seines Nebenbuhlers. Doch er kommt zu spät.
Maddalena folgt Chénier in den Tod.
Der israelische Dirigent Omer
Meir Wellber entfaltet Giordanos Musik mit viel Gespür für ihre ve-ristische
Orchesterpalette und lässt den Sängern gebührend Raum. Neben Kaufmanns
sensationellem Chénier-Porträt überzeugen auch J’Nai Bridges (Bersi), Andrea
Borghini (Roucher), Kevin Conners (Incroyable) und Elena Zilio, die als alte
Madelon berührend um ihre im Krieg verlorenen Söhne klagt. Eine künstliche
Note bringen Szenen ins Spiel, bei denen die Musik die Handlung für die
Dauer einer Arie anhält. Hier scheinen Zeit und Wirklichkeit für die
Protagonisten suspendiert, um anschließend umso brutaler wieder in ihr Recht
gesetzt zu werden.
Neoklassizistisches Bühnenbild
Stölzl,
bekannt durch Musivideos für Popgrößen und seine neue „Winnetou“-Verfilmung,
war als Opernregisseur in Stuttgart bereits mit Johann Strauß’ „Fledermaus“
erfolgreich. Bei seiner Münchner „Chénier“- Inszenierung hat er sich
zusammen mit Pilipp M. Krenn (Regie), Heike Vollmer (Bühne) und Michael
Bauer (Licht) von neoklassizistischen Gemälden des Revolutionsmalers
Jacques-Louis David inspirieren lassen. Mehrstöckige Gebäude im Aufriss
schaffen ein Abbild gesellschaftlicher Hierarchien. Das Geschehen und die
geschichtlichen Hintergründe werden simultan in einzelnen Räumen und auf
Plätzen zwischen Pariser Fassadenansichten vor Augen geführt. Realistisch
sind alle Details vom französichen Fensterladen bis zur Straßenlaterne
nachgebildet. Auch die Kostüme (Anke Winckler) könnten aus einem
Historienfilm stammen. Selbst die blutige Kopfattrappe, die der Henker nach
Chéniers Hinrichtung hochhält, trägt exakt die Gesichtszüge seines
Darstellers. War dies der Grund für Buhrufe einiger Kaufmann-Fans?
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