|
|
|
|
|
der Standard, 18. Mai 2016 |
Joachim Lange |
|
Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg, Bayerische Staatsoper, 16. Mai 2016
|
"Meistersinger": Man hört nur die im Dunkeln |
|
Richard Wagners Oper mit Kirill Petrenko und Jonas Kaufmann |
|
München leuchtet! Mal wieder. Von der Oper am Max-Josephs-Platz aus. Obwohl
es düsterer auf der Bühne nicht sein könnte. Denn David Bösch hat seine
Meistersinger in eine so schäbige Vorstadtplattensiedlung verlegt, wie man
sie in Deutschland lange suchen müsste. Aber da mit Kirill Petrenko ein
wahrer Zauberer im Graben steht, kann die Regie auf der Bühne tun, was sie
will – es gibt in jedem Fall einen Wagner der Luxusklasse. Im Großformat.
Was der designierte Chef der Berliner Philharmoniker mit seinem Orchester
beim (für ihn) ersten Mal aus den Meistersingern macht, übertrifft alle
Erwartungen, die man ohnehin mit diesem Dirigenten verbindet. So
transparent, auf jedes Detail versessen, so zügig drängend und kraftvoll und
dann wieder so beredt und poetisch, so streicherweich und bläsermarkant
kriegt man das heuer wohl nirgends sonst zu hören. Samt der Chance, einfach
zu sehen, was man hört. Zumal ja bei Nikolaus Bachler zur bewussten
Risikofreude in Sachen Regie und dem Luxus im Graben auch noch der Griff in
die Spitzenriege der Sängerdarsteller kommt. Der szenisch als Stolzing
debütierende Jonas Kaufmann als locker verspielter, höchstens
zwanzigjähriger Lederjacken-Lockenkopf, den sein Künstlertum eher in Wellen
überkommt, als dass er es suchte – eine Pracht, mit der betörenden
Leuchtkraft der Preislieder als Clou. Wolfgang Koch ist der souverän
reflektiert singende, bodenständige Sachs schlechthin, Beckmesser bei Markus
Eiche ein durchaus ernst zu nehmender Gegenspieler.
Das geht weiter
über alle Meister und den David, den Benjamin Bruns höchst beweglich singt
und mit Mut zum Trottel spielt. Bis hin zu Sara Jakubiak als selbstbewusster
Eva im Petticoat und Okka von der Dameraus Magdalena an ihrer Seite. Weil
sich Bösch obendrein als Meister einer detailverliebten Personenführung
erweist, kommt er uns, fest untergehakt beim Komödianten Richard Wagner, mit
seinem Personal ziemlich nahe. Und so verblüffend das klingen mag:
Eigentlich liefert er eine geradezu anheimelnd menschelnde Butzenscheiben-
und Schusterstuben-Version der Meistersinger. Nur ohne Butzenscheiben und
Schusterstube, sondern mit deren genauem Gegenteil. Seltsam, dass ihm just
die Prügelfuge arg statisch gerät und ihm auch der Moment durch die Lappen
geht, in dem Hans Sachs mit seinem großzügigen Verzicht auf Eva hadert.
Buhs für die Regie
Radikale Gegenwart evoziert vor allem Patrick
Bannwarts heruntergekommene Vorstadt-Platte, in die ein
Zeitebenen-Kurzschluss eingeschlagen hat. Es ist ein
So-ungefähr-Nachkriegsambiente urbaner Schattenseiten. Mit Zutaten aus Mode,
Fuhrpark, Hebebühne, Ton und Public-Viewing-Technik. Von allem ein bisschen.
Für sich genommen wärmt diese Opulenz der Frustration. Schwer
nachvollziehbar, dass hier selbst der reiche, immer im weißen Hallodri-Anzug
auftretende Pogner (Christof Fischesser) wohnen soll, obwohl der sich sein
eigenes Vorstadt-TV für sein "Nürnberg sucht den Supersänger" sponsert und
einen BMW mit Namennummerntafel fährt. Auf der Festwiese geht's zu wie bei
einer Billigversion des Eurovisions-Song- Contests: Mit einem David, der
sich zum Komasaufen verführen lässt und dann in den Siegerpokal kotzt. Am
Ende entfliehen Walther und Eva der Vorstadt, Sachs und seine Kollegen
bleiben ratlos zurück, während sich Beckmesser erschießt. Zwingend ist
dieses Ende nicht. Eher ein verspäteter Taschenspielertrick, mit dem die
Regie eine radikale Gegenwärtigkeit nur behauptet. Auf der Bühne hätte es
gar nicht so unverbindlich duster bleiben müssen, um den vokalen Glanz und
den Orchesterluxus so strahlen zu lassen. Dafür gab es einhelligen Jubel.
Für die Regie mischten sich lautstarke Buhs darunter. (Joachim Lange,
18.5.2016)
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|