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Abendzeitung, 17.05.2016 |
Michael Bastian Weiß |
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Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg, Bayerische Staatsoper, 16. Mai 2016
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"Die Meistersinger von Nürnberg" mit Jonas Kaufmann im Nationaltheater |
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Lauter komplizierte Menschen: Kirill Petrenko dirigiert die Neuinszenierung
von Richard Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“ im Nationaltheater
Während des Vorspiels bleibt die Bühne dunkel. Nicht nur kann sich der
Zuhörer so auf das meisterliche Spiel des Bayerischen Staatsorchesters unter
Kirill Petrenko konzentrieren, was nur recht und billig ist, weil der
Generalmusikdirektor tief in das Innenleben des Uraufführungsorchester
eingegriffen hat und einen einzigartig geschmeidigen Klang hervorruft, der
den Personen folgt wie ein gut sitzender Anzug.
Nein, David Bösch
weist mit dieser dankenswerten Entscheidung, erst einmal die Musik ohne
Ablenkungen wirken zu lassen, gleichzeitig auch voraus auf seine so
durchdachte wie ansprechend modernisierte Inszenierung. Denn bis
einschließlich der finalen Festwiese wird der Bühnenhintergrund
unausgeleuchtet bleiben, die Nacht verläßt dieses Nürnberg gleichsam nie
(Licht: Michael Bauer).
Und es ist eine enge, drückende Stadt, in
welcher der Flieder doch eigentlich mild, stark und voll duften soll: Die
Gebäude sind angeschmuddelt, David fährt auf dem Moped durch staubige
Straßen, Sachs verkauft seine Schuhe aus einem ärmlichen Lieferwagen – der
Regisseur Bösch liebt, nicht zum ersten Mal, seine Autos, die aber nie bloße
Blickfänger sind, sondern eng in die Handlung eingebunden werden: Die
Prügelnacht etwa überdauert Stolzing in Sachsens Vehikel, Beckmesser singt
sein Ständchen auf einem kleinen Kran, der mit stetem Auf und Ab zum
Slapstick genutzt wird.
Auf der Festwiese wehen bewußt billig
beschmierte Plakate (Bühne: Patrick Bannwart). Die trashigen
Videoprojektionen Falko Herolds tun ihr Übriges um zu zeigen: Dieses
Nürnberg ist eine normal häßliche Stadt, in welcher die glanzlosen
Arbeitsverhältnisse mit ästhetischen Diskursen und Liebeshändeln chaotisch
realistisch durcheinander gemischt werden.
Mit einer Besetzung, wie
sie noch vor zwei, drei Jahrzehnten typisch gewesen wäre, hätte man dieses
aufregend moderne Regiekonzept kaum bevölkern können. Sara Jakubiak als Eva
jedoch spricht mit ihrem hell leuchtenden Sopran so gegenwärtig, als ob ihr
Part gerade geschrieben wurde, sodaß hier ein Mensch unserer Tage erscheint;
ihre Rezitation ist in weite Bögen eines wunderbaren Belcantos eingebunden.
Jonas Kaufmann gelingt in seinem szenischen Debüt als Stolzing das ganz
persönliche Kunststück, die ganze Haltung seines Rollenporträts vom
Heldischen fernzuhalten und seine tenoral schöne Färbung, die dunkel
glühenden Höhen, mit dem Schein des Heutigen zu verbinden.
Die beiden
bilden ein echtes Paar, weil sie sich hier eben als komplizierte Menschen
individuieren können: Jakubiaks Eva flirtet ziemlich ernsthaft mit Sachs,
man traut ihr zu, daß sie ihn erwählen könnte – wenn er nur beim Wettbewerb
um sie würbe. Kaufmanns Walther ist mit seiner immer schön lässig
mitgeführten, doch letztlich nie benutzten Gitarre, der Lederjacke, der
Leck-mich-Attitüde, ein halb genialischer, halb adeliger Halbstarker, der
erstmal hübsch ratlos die Backen aufbläst, bevor er mit seinem Preislied
loslegt. Eva und er werden nie zusammenfinden, weil sie sich in ihren coolen
Sneakern so ähnlich sind (Kostüme: Meentje Nielsen).
Viele
junge Leute Gegenüber diesen leichtsinnig Liebenden wird
Wolfgang Koch als zotteliger, bauchtragender Sachs in eine ausweglose
Situation zwischen Versteher von Genie und Jugend und dem anerkannten Hüter
der Regeln gebracht. Kochs weicher, lockerer Bariton überbrückt diese
Diskrepanz mühelos, es ist wichtig, daß er in all die Konflikte eine
versöhnende Note einbringt. Sein Sachs hat auch stimmlich noch nicht die
Schwere des reifen Alters, wie sie etwa bei Bernd Weikl mitschwang, er
könnte durchaus noch mitmischen in diesem letztlich perversen Wettbewerb um
Kunst und Liebe.
Dem entspricht der Rollenanlage nach der Beckmesser
Markus Eiches, der stimmlich strahlend erscheint und überhaupt ausgesprochen
attraktiv, er ist eher ein Hipster als ein Unvermittelbarer. Auch für den
eigentlich alternden Pogner gilt dies, weil Christof Fischessers baritonale
Energie darauf hindeutet, daß er Eva vielleicht auch deswegen aus dem Haus
haben möchte, um Platz für neue Sprößlinge zu schaffen. Und selbst noch der
verdienstvolle Kothner wird von Eike Wilm Schulte so frisch und hell
verkörpert, daß die Frage gestellt werden kann, ob denn diese insgesamt
recht rüstige Gesellschaft die Erneuerung denn so dringend braucht – zumal
mit dem leicht parlierenden David Benjamin Bruns und der wie immer
verschwenderischen Okka von der Damerau als Magdalene eine hoffnungsvolle
junge Generation bereitsteht.
Ist David Bösch vielleicht am Schluß
seine heitere, gut funktionierende Inszenierung zu positiv vorgekommen? Das
noch hastig angedeutete düstere Ende: Stolzing flieht nun doch mit Eva,
Beckmesser erschießt sich, Sachs zieht illusionslos an seiner Zigarette,
wirkt aufgesetzt und damit als ein Fremdkörper dieser insgesamt sehr
gelungenen Produktion. Nach deren Logik – und nicht zuletzt nach dem
überwältigenden Eindruck, den Sänger und Orchester hinterlassen –, hätte
eigentlich jeder Topf seinen Deckel finden müssen. Stolzing und Sachs aber
wären echte Künstlerfreunde geworden.
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