|
|
|
|
|
Kurier, 3. Juni 2016 |
Peter Jarolin |
|
Liederabend, Wiener Staatsoper, 1. Juni 2016
|
Auch ein Startenor braucht mitunter Anlaufzeit |
|
Wenn sich Stunden vor einer Aufführung bereits Schlangen vor der
Stehplatzkassa bilden, dann muss jemand ganz Besonderer an der Wiener
Staatsoper zu Gast sein. So geschehen beim finalen Solistenkonzert dieser
Saison im Haus am Ring, wo Startenor Jonas Kaufmann dem Wiener Publikum
seine Aufwartung machte.
Zum erst dritten Mal — nach zwei
Vorstellungen von Puccinis „Tosca"—war der Ausnahmekünstler in dieser Saison
im Haus am Ring zu erleben; auch in der kommenden Spielzeit wird er nur drei
Mal als Cavaradossi (vermutlich an der Seite von Angela Gheorghiu als Tosca)
zu hören sein. Die Vorfreude war somit groß, und Kaufmann setzte auf ein
extrem anspruchsvolles Programm.
Gustav Mahler (vier Lieder aus dem
„fahrenden Gesellen") bildete den extrem verhaltenen Auftakt, bei dem
Kaufmann vor allem auf dezente, vokale Zurückhaltung setzte. Und auch der
gewohnt souveräne Helmut Deutsch am Klavier vermochte hier noch nicht
wirklich viele Akzente zu setzen. Ein Bild, das sich auch bei Benjamin
Brittens meisterhaften „7 Sonnets of Michelangelo"subtil wiederholen sollte.
Zwar war Kaufmann bei Britten wesentlich mehr in seinem Element, richtig
befreit aufsingen konnte der Superstar der Klassik aber auch hier noch
nicht.
Welch famoser Gestalter, welch großartiger Liedsänger er aber
ist, wurde nach der Pause deutlich. Denn bei neun Liedern aus den „Letzten
Blättern"sowie fünf weiteren Liedern von Richard Strauss zog Kaufmann dann
alle Register seines hohen Könnens. Plötzlich floss die Stimme, plötzlich
punktete der Tenor mit schönen Höhen, samtener, baritonal gefärbter
Mittellage und vor allem mit interpretatorischem Feinschliff. Der so häufige
Wechsel der Emotionen, das virtuose Spiel mit Gefühlslagen — Kaufmann und
Pianist Deutsch waren bei Strauss merklich daheim.
Jubel, Blumen und
fünf Zugaben waren die Folge.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|