Festspiel Gala, Baden-Baden 22. Juli 2016
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GALA MIT ANJA HARTEROS-EKATERINA GUBANOVA- JONAS KAUFMANN-BRYN TERFEL |
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Fast auf den Tag vor neun Jahren präsentierte das Festspielhaus sein
spektakuläres Saison-Abschlusskonzert „Die Operngala der Stars 2007“,
welches nun heute in ebenso elitärer Besetzung eine erfolgreiche und
glanzvolle Spielzeit krönte. Kränkelte einst der Tenor ereilte dieses
Schicksal heute die Mezzosopranistin Elina Garanca und zeigt wiederum:
Künstler sind und bleiben Menschen, funktionieren in keiner Weise auf
Knopfdruck wie Automaten. Als Ersatz konnte die Festspielleitung die
kürzlich erfolgreiche Fricka aus „Die Walküre“ Ekaterina Gubanova gewinnen.
Der Dirigent Marco Armiliato fungierte bereits 2007 danach mehrmals in
Baden-Baden und gab am Pult der Badischen Staatskapelle Karlsruhe dem
glanzvollen Abend die besondere orchestrale Note.
Bedeutungsvoll
eröffnete Anja Harteros nach kurzer orchestraler Einleitung mit Dich, teure
Halle, grüß´ich wieder aus „Tannhäuser“ (Richard Wagner) den illustren
Reigen des Sänger-Quartetts. Festlicher lässt sich die Einstimmung einer
Gala wohl kaum gestalten, lyrisch in ungetrübter Klangreinheit erstrahlte
die Stimme in Verinnerlichung, traumhaft aufblühend im Focus eines betörend
umschmeichelnden Timbres.
Belcanto pur vermittelte die exzellente
Sopranistin mit einer weiteren Elisabetta zur Arie Tu che le vanitá aus „Don
Carlo“ (Giuseppe Verdi). Berührend, intensiv in immenser Klangfülle
erstrahlt die edle Stimme in schattierenden Höhen, den endlos gespannten
Atembögen, berückend erklangen die Piani. Hier wurde unmittelbar Verdis
Wunsch offenbar: Gesang in der Oper möge immer ein Spiegelbild der Seele
sein, wen verwunderte es, dass Anja Harteros Vortrag umso mehr zu Herzen
ging.
Nicht weniger eindrucksvoll gestaltete die großartige
Künstlerin Amelias Bekenntnis Morró, ma prima grazia aus „Un Ballo in
Maschera“ des italienischen Meister-Komponisten. Stilsicher, atemlos
strömend, berührend, bezaubernd im Legato, pianiumwoben wohnte man einer
Lektion puren Verdi-Glücks bei.
Ekaterina Gubanova als zweite
Solistin dieser grandiosen Gala verfügt zwar nicht über ein Timbre in Samt
und Seide gebettet, doch bot die russische Mezzosopranistin andere
Qualitäten. Geschmeidige Mittelbereichtöne, metallische Höhen kennzeichnen
die Arie der Santuzza Voi lo sapete (Pietro Mascagni), Dramatik pur, enorm
nuancierte Gestaltung spiegeln sich in o don fatale der Eboli (Giuseppe
Verdi) wider.
Diabolisch kam zunächst Bryn Terfel mit dem Rondo des
Méphistophéles Le veau d´or est toujours debout (Charles Gounod) zur vollen
Entfaltung seines mächtigen Bassbaritons. Publikumswirksam vokal etwas
raubeinig präsentierte der englische Sänger Son lo Spirito che nega des
Mefistofele (Arrigo Boito). Wohlklingender, voluminös, musikalisch
intelligent geführt, mehr baritonal denn basslastig schenkte Terfel Ella
giammai m´amó des Filippo II. ohne Larmoyanz berührende Tiefenschärfe.
Als Cavaradossi sang mit E lucevan le stelle Jonas Kaufmann die Sterne
vom Himmel in aller ihm zu Gebote stehenden überwältigen Musikalität.
Stilistisch überzeugend, den Hörer emotional anrührend präsentierte der
smarte Tenor Stimmglanz in Vollendung. Seine Piani verschlagen einem
regelrecht den Atem, das Aufblühen des Organs in strahlkräftige Oberregionen
erzeugt Gänsehaut. Konkurrenzlos darf man diese beispiellose Interpretation
bezeichnen.
Große Opernszenen voll Emotionen, Leidenschaften
erklangen zwischen den Solo-Passagen und boten Verismo, Italiana der
Sonderklasse: Tödliche Eifersucht doktrinär hochdramatisch ausgelebt von
Santuzza (Gubanova) und Turiddu (Kaufmann) ging unter die Haut.
Überlegene, berechnende Dominanz in sonoren Alttiefen vermittelte die
Principessa (Gubanova) zur Arie Acerba voluttá, resignierende Trauer in
herzzerreißendem Tenortönen setzte Maurizio (Kaufmann) mit L´anima ho stanca
aus Francesco Cilias Musikdrama „Adriana Lecouvreur“ dagegen.
Hautnah, realisierten Harteros-Terfel den Opernkrimi „Tosca“ schlechthin,
daraus die gekürzte Szene des triebgesteuerten Scarpia im mächtigen kernigen
Auftrumpfen zu Salvatelo! – Jo? Dazu Toscas Vissi d´arte exemplarisch
gestaltet: Soprantöne von hinreißender Schönheit, Puccini-Kantilenen vom
Feinsten, traumhafte Phrasierungen bis zum heiklen Schlusston.
Maestro Marco Armiliato mit der hervorragend disponierten, klangintensiv
musizierenden Badischen Staatskapelle beindruckte durch höchst
differenzierte Begleitungen der Sanges-Künstler, berücksichtigte sensibel
und liebevoll herausgearbeitete Pianopassagen zu breit ausschwingenden
Orchestrierungen. Instrumental solistisch glänzte der Klangkörper als
Entremets der Vokal-Delikatessen mit dem schwungvollen Valse de Faust, dem
elegischen Intermezzo (Cavalleria Rusticana). Temperamentvoll mit exotischen
Klangraffinessen erklang die Ballettmusik aus „Aida“ sowie repräsentativ in
akustischer Brillanz das Intermezzo aus „Manon Lescaut“.
Zur Krönung
dieses musikalischen Menus servierten Anja Harteros und Jonas Kaufmann Giá
nella notte densa aus „Otello“, man durfte dieses exquisite Dessert mit
allen Sinnen genießen. Belcanteske mädchenhaft-beseelte Töne von betörendem
Liebreiz schenkte Harteros der Desdemona. Konträr mit Noblesse in tenoraler
Contenance zeichnet Kaufmann den Otello, schwebend verhallen beide Stimmen
in weltentrückten Sphären. Elitäre Vokalkunst allererster Güte ließ selbst
einem alten Opern-Hasen wie mir, die Augen feucht werden.
Dem zu
Folge blieben nur noch Otellos Worte: So groß ist die Freude in meiner
Seele, dass ich fürchte, es werde mir nie wieder vergönnt.
Standing
Ovations, Jubel ohne Ende belohnten die Gefeierten mit fünf Zugaben: Laszive
Sinnlichkeit schenkte Ekaterina Gubanova ihrer Carmen-Habanera. Weltentrückt
zu Harfenklang in traumhaft schwebenden Soprannuancen sang Anja Harteros Son
pochi fiori aus Mascagnis „L´amico Fritz“. Mit der italienischen Canzone
Parla piú piano tenoral zartschmelzend im Ohr animierte Jonas Kaufmann das
Auditorium nochmals zum Jubelschrei. Schwungvoll mit tänzerischen Einlagen
brachte Bryn Terfel mit If I were a rich man aus „Fiddler on the Roof“
(Jerry Bock) überschäumende Stimmung in den Saal, ebenso das unverwüstliche
und endgültige Finale Dein ist mein ganzes Herz als Quartett-Medley.
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