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Der Neue Merker |
Dorothea Zweipfennig
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Verdi: La forza del destino, München, Mai 2015 |
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„LA FORZA DEL DESTINO“ in fast kompletter Premierenbesetzung
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Das war eine Aufführung vom Feisten! Angefangen bei Asher Fischs
eindringlichem Dirigat. Da stimmte einfach alles, was zu einem großartigen
Verdi gehört: wunderbare dynamische und agogische Differenzierungen, der
große Verdi-Bogen, das Zulassen innerhalb dieser Bögen, die Sänger ihre
Gesangslinien mit wahrer Hingabe aussingen zu lassen – das war ein Strömen
zum Dahinschmelzen. Dies führte dann in manchen Szenen zu großer
Ergriffenheit und auch zu Tränen. Zuerst im großen Duett Leonora-Guardiano,
und dann im Finale. Da sah man nach dem Fallen des Vorhangs einige Leute
sich die Augen wischen.
Bei dieser Aufführung hat mich jetzt endlich
auch Anja Harteros ergriffen (früher störte mich stets die Kühle ihres
Höhenregisters). Neben ihren becircenden Pianogespinsten, ist man schier
geplättet, wenn sie ihrem großen Sopran mal so richtig die Zügel frei gibt
(wie zum Schluss der Pace-Arie). - Ihr Alvaro Jonas Kaufmann: Hatte ich bei
seinem Salzburger Turiddu und vor allem Bajazzo konstatiert: besser kann man
das nicht singen, so trifft dies uneingeschränkt auch auf seine
Verdi-(Anti-)Helden zu. Das aufregend virile Timbre, der Höhenstrahl ohne
Ende, die interpretatorische Raffinesse – besser kann man das wirklich nicht
singen, höchstens anders, aber wozu. – Das große Oooh über die Absage von
Ludovic Tézier verwandelte sich in ein kleines Aah beim Anhören seiner
Vertretung: Der junge Italiener Simone Piazzola beeindruckte mit seinem
kräftig eingesetzten Bariton, der möglicherweise noch etwas Feinschliff
vertragen könnte und einer Entwicklung in der Tiefe bedürfte. Dafür protzte
er mit Hingabe mit seinen schier unbegrenzten Höhen. Bedauerlich, dass der
junge Herr schon jetzt zu etwas großer Körperfülle neigt und dazu oder
deshalb ein sehr mäßiger Schauspieler ist.. Dadurch entfielen die so
packenden Actionszenen, mit denen Kaufmann und Tézier Eindruck gemacht
hatten. Kaufmann konnte sich noch so abstrampeln, Piazzola stand! Zum Glück
hatte er die nötige Dramatik in der Stimme. – Mit balsamischem, wunderbar
frei strömendem Bass sang Vitalij Kowaljow einen herrlichen Padre Guardiano
(u. vorher Vater). – Einen Melitone vom stimmlichen Kaliber eines Ambrogio
Maestri hört man selten. Wenn der sein Riesenorgan mal richtig loslässt,
wackeln die Balken… (seine einst so gewaltige Körperfülle scheint
vorteilhafterweise etwas geschrumpft zu sein). – Im Gegensatz zur
Premierenserie, wo sie mit einigen Unbilden zu kämpfen hatte, präsentierte
sich Nadia Krasteva nun wieder in beglückender Spitzenform – körperlich wie
stimmlich. Da saß alles und ihr Sexy-Mezzo schnurrte und gurrte nur so, dass
es eine Pracht war. – Leonard Bernads qualitätvoller Bass fiel einmal mehr
als Chirurgo positiv auf. Er ist zwar noch im Opernstudio, aber man möchte
schon gerne bald ein bissel was Größeres von ihm hören.
Versteht sich
von selbst, dass auch die Chöre bombastisch sangen und das Staatsorchester
unter Fischs Leitung den Zuhörer in mitreißende Klangwelten entführte. –
Und nach gefallenem Vorhang die Ekstase des enthusiasmierten Publikums……
Von Martin Kušeijs STO-Inszenierungen war seine erste – Macbeth –
die schlechteste. Seine so andere Rusalka konnte viele Menschen fesseln und
rühren. Und das gelang nun auch mit der Forza. Mit solch einem überragenden
Sängerteam wird die Sache allerdings fast zum Selbstläufer. Und wer sich
angesichts dieser musikalischen Festaufführung an Martin Zehetgrubers
Kulissen dermaßen stört, dass er in der Pause geht (am 4.5. – wie dumm!),
der weiß offensichtlich gar nicht, dass er damit die größten Herrlichkeiten
von Verdis Oper verpasst hat. Dabei sind diese Kulissen gar nicht so
schlecht; im ersten Teil zwar etwas bieder, aber später recht einfallsreich,
auf jeden Fall aber praktisch. Dass im Finalbild Leonora, Alvaro und Carlo
aus einem Riesenstapel Kruzifixe heraussteigen, macht zum Schluss richtig
Sinn – sie wühlen sich aus diesem sie umgebenden bigottenWust heraus. Und
nach Leonoras Tod greift sich Alvaro in Zorn und Verzweiflung ein auf dem
Tisch stehendes Kreuz und wirft es schließlich fast angeekelt weg. Er hat
genug von dem ganzen frömmelnden Getue und den fragwürdigen Verheißungen. …
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