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Die Zeit, 7. August 2015 |
von Christine Lemke-Matwey |
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Beethoven: Fidelio, Salzburger Festspiele, 4. August 2015
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Hier Leben. Da Kunst |
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Vor den Operntoren von Salzburg kauern Flüchtlinge. Haben die Festspiele die Zeichen der Zeit erkannt? |
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Ausschnitt: Dieser "Fidelio" beschert dem Sommer erschreckende
Wahrhaftigkeit .... Tot ist auch Florestan am Ende von
Beethovens Fidelio, jedenfalls in Claus Guths Lesart, und dieses Sterben
eines Geschundenen, politisch Verfolgten und zu spät Geretteten beschert dem
Salzburger Opernsommer Augenblicke von erschreckender Wahrhaftigkeit. Jonas
Kaufmann ist Florestan und mag er der Partie stimmlich auch mit einigem
Forcieren begegnen, einigen Manierismen (von Franz Welser-Möst und den
Wiener Philharmonikern durchaus dazu ermutigt), so trifft er einen
darstellerisch doch ins Mark: Der Held, der sich unter dem Befreiungsjubel
des Volkes die Ohren zuhält, der schwersttraumatisiert ist und selbst die
Liebe seiner Frau Leonore alias Fidelio nicht mehr erträgt (sehr sauber,
sehr anrührend: Adrianne Pieczonka) – ist dies nicht auch ein Alter Ego des
Künstlers und Startenors schlechthin, der Gesang und Welt und Welt und
Gesang nicht mehr zusammenbringt?
Wie Kaufmann durch Guths
psychedelische Doppelgängerschattenwürfe und Christian Schmidts
minimalistischen Raum taumelt – ein Kabinett, das von einem schwarzen,
Kaaba-artigen Quader durchdrungen wird und später mit einem Kronleuchter
prunkt – und wie er am Schluss, für ein paar wenige Glückstakte nach dem
Sextett, mit Leonore nach vorne an die Rampe stürmt, nur um dort
zusammenzubrechen, ausgerechnet dort: Das lässt hoffen, dass die Kunst die
Zeichen der Zeit verstanden hat. Und daran arbeitet.
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