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Mittelbayerische, 5.8.2015 |
Von Georg Etscheit, dpa |
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Beethoven: Fidelio, Salzburger Festspiele, 4. August 2015
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Der Salzburger „Fidelio“ spaltet |
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Befreiungs-Schmonzette als Seelenkrimi: Claus Guths radikale Inszenierung fällt beim Publikum durch – zu Unrecht. |
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Der „Fidelio“ war Beethovens Sorgenkind. Zehn Jahre arbeitete der Meister an
seiner einzigen Oper, bis sie 1814 in jener Fassung uraufgeführt wurde, die
dann ihren Siegeszug um die Welt antrat. Doch das Ergebnis ist bis heute
problematisch, eine recht uneinheitliche Mischung aus deutschem Singspiel,
Oratorium und der seinerzeit angesagten idealistischen Befreiungs- und
Rettungsoper. Den „Fidelio“ aufzuführen, ist eine Herausforderung, szenisch
wie musikalisch.
Bei den Salzburger Festspielen, die am Dienstagabend
das Stück als dritte und letzte Opern-Neuinszenierung der laufenden Saison
präsentierten, tritt Regisseur Claus Guth die Flucht nach vorn an und bietet
eine ziemlich radikale Sicht des Werkes, die dem Publikum im Großen
Festspielhaus offensichtlich nicht zusagte. Ein Buh-Orkan scholl Guth
entgegen, als er nach Ende der knapp dreistündigen Aufführung auf die Bühne
kam. Für Orchester und Sänger, unter ihnen Startenor Jonas Kaufmann als
Florestan, gab es dagegen Jubelstürme.
Die Botschaft: Der Kerker ist
in uns selbst
Guth hat einige radikale Eingriffe vorgenommen und die
Handlung – junge Frau in männlicher Verkleidung befreit Geliebten aus dem
Staatsgefängnis – konsequent ins Innere der handelnden Personen verlegt. Er
macht die Gefangenenbefreiungs-Schmonzette zum Psychodrama. Seine Botschaft:
Wir selbst sind alle Gefangene, den Kerker unserer Wünsche und Obsessionen
tragen wir auch in uns selbst.
Zunächst streicht Guth die etwas
sperrigen Sprechdialoge der Originalversion. Beethoven selbst soll
geschrieben haben, man könne den Text „nach Gefallen“ abändern und
verkürzen. Anstelle der Kommentare, die die Handlung erklären und
vorantreiben, setzt der Regisseur wummernde, pulsierende oder metallisch
klirrende Klanginstallationen, die von Anfang an eine bedrohliche Atmosphäre
schaffen und das Stück in einen düsteren Seelenkrimi verwandeln.
Gebärdensprache als Kunstgriff
Ein weiterer, nicht mehr ganz
origineller Kunstgriff Guths: Er gibt sowohl Leonore/Fidelio wie Don
Pizarro, der den Staatsfeind Florestan höchstpersönlich im Kerker zu
ermorden gedenkt, zwei „Schatten“ an die Seite, die mal als bremsende, mal
als antreibende Sparringspartner dienen. Bei Leonore/Fidelio übernimmt die
Funktion die seit ihrer Geburt taube „Gebärdensolistin“ Nadia Kichler. Sie
macht aus der Gebärdensprache der Taubstummen ein lebendes Kunstwerk.
Und dann gibt es noch einen riesigen schwarzen Kubus inmitten der sonst
leeren und nur von antikisierenden Wänden umgebenen Bühne. Er soll wohl das
„Andere“ symbolisieren und dem Ganzen eine metaphysische Dimension
verleihen. Ein wenig erinnert er an den mysteriösen schwarzen Monolithen aus
Stanley Kubricks Science-Fiction-Klassiker „2001: Odyssee im Weltraum“. Man
kann ihn aber auch einfach als Wand deuten, die den Menschen im Wege steht.
In der Kerkerszene entschwindet der Kubus gen Schnürboden und öffnet das
Grab, das für Florestan schon geschaufelt ist.
Intensiver
Orchesterklang der Wiener
Jonas Kaufmann meisterte die eher kleine,
wenn auch schwierige Partie mit großem Körpereinsatz, auch wenn seine Stimme
noch ein wenig enger klang als sonst. Neben der gefeierten kanadischen
Sopranistin Adrianne Pieczonka als Leonore/Fidelio machte vor allem der
finstere polnische Bassbariton Tomasz Konieczny als psychisch zerrissener
Gouverneur Don Pizarro eine gute Figur. Am Pult der Wiener Philharmoniker
entfachte Franz Welser-Möst einen intensiven, packenden Orchesterklang. Für
die Leonoren-Ouvertüre Nr. 3, die üblicherweise als symphonisches
Zwischenspiel im zweiten Akt gespielt wird, gab es stürmischen
Szenenapplaus.
Der Schluss ist noch einmal stark inszeniert.
Florestan, der im Kerker dem Tod ins Auge gesehen hat, findet nach
geglückter Befreiung durch den edelmütigen Minister Don Fernando nicht mehr
zurück ins Leben und zu seiner Geliebten, die sich von Fidelio wieder in
Leonore verwandelt hat. Statt des schwarzen Kubus schwebt jetzt ein
mächtiger Kronleuchter über den Menschen, der sie zu erdrücken scheint. Der
Befreiungsjubel, der aus dem Orchestergraben tönt („Heil! Heil sei der Tag,
Heil sei der Stunde“), wirkt hohl. Heute hat man für solch idealistischen,
menschheitsbeglückenden Überschwang nur ein müdes Lächeln übrig.
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