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Bühne, März 2015 |
Manuel Brug |
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Giordano: Andrea Chenier, London, Royal Opera House, 20. Januar 2015
Vollendetes Medium
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JONAS KAUFMANN triumphierte an der Covent Garden Opera in London als Andrea Chénier. |
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Umberto Giordanos Andrea Chénier ist, obwohl zwei Stunden kompakt, ein
saftiger Schinken. Große Geschichtstableaus mit wuselndem Volk und vielen
aus dem kurzatmigen Verismo- Melodiegeflecht herausleuchtenden
Kleinstrollen. Die zugunsten der tragisch-kitschigen Liebesgeschichte
zwischen dem aufmüpfigen, zum Tod verurteilten Dichter und einer
verfolgten Adeligen immer mehr verblassen. Und trotz ihrer
Wunschkonzert-kompatiblen Arienhits bleiben Maddalena (ehrlich-engagiert,
aber mit müdem Sopran, Eva-Maria Westbroek) und Andreas Bariton-Rivale
Gérard (der sich steigernde, geradlinige Zeljko Lucic) in der zweiten Reihe.
Giordano hat nämlich eine Startenoroper geschrieben, und Jonas Kaufmann
erfühlt und erfüllt sie bei seinem Londoner Rollendebüt vom ersten, wie
improvisierten Monolog „Un di all'azzurro spazio", wo die Stimme tastend
einsteigt, fließend an Fülle gewinnt, bis zum dunkel timbrierten, trotzdem
von innen glühenden Arioso „Come un bel dí di maggio". Das gipfelt im
leidenschaftlichen Schlussduett vor dem Leiterwagen zum Schafott.
Das
Royal Opera House hat Kaufmann diesen Sieg leicht gemacht. Antonio Pappano
breitet generös einen feinartikulierten, nie plüschigen Klangteppich aus.
Und David McVicar, längst der Otto Schenk des 21. Jahrhunderts,
inszeniert in Ancien-Régime-Pappkulissen ein sich niemals infrage stellendes
Opernspektakel in historisch akkuraten, aber banalen Kostümen.
Das Schönste an Kaufmann, was immer wieder von Neuem fasziniert, und damit
ist er auch allen seinen illustren Vokalvorgängern weit überlegen, ist seine
darstellerische Variabilität. Zusammen mit seinen so bewusst wie
intuitiv eingesetzten Vokalraffinessen, entwickelt er auch diese, durchaus
plakative Opernfigur mit einer nachdrücklichen, sehr modernen
Intensität. Die berührt, bannt, ja, und verzaubert: Der Künstler als
vollendetes Medium. |
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