Der Neue Merker
Reingard Platzer
 
Verdi: Aida, Bayerische Staatsoper, 7. Oktober 2015
AIDA – eine etwas andere Wahrheit
Verdi’s Ideal Besetzung für die Uraufführung, war Teresa Stolz in der Titelpartie der Aida. Später war sie dann auch seine Vertraute, die ihn anspornte und beglückte. Die Rolle wurde damals gemeinsam in der Villa Sant Agata erarbeitet. Fünf Jahre später, als Teresa schon Stammgast bei den Verdi’s war, wird Giuseppina Strepponi zu ihrem Mann sagen „Entweder diese Frau verlässt das Haus oder ich werde gehen“ Verdis Antwort war: „Wenn diese Frau geht, dann blase ich mir das Gehirn aus meinem Schädel“
Ein späteres Argument Verdis war dann noch: „Peppina hält mich für einen Gott, Teresina hält mich für einen Mann. Recht hat sie!“

Die Rolle der Aida stand also für Verdi im Mittelpunkt der Oper und durch seine Beziehung zu Teresa Stolz hatte er auch intensive emotionale Bindungen dazu.
Im März dieses Jahres machte Anja Harteros gemeinsam mit Jonas Kaufmann ihr Rollendebüt in Rom, bei einer konzertanten Aufführung der Oper an der Santa Cecilia.

Optisch und stimmlich war die Harteros wohl eine Idealbesetzung. Ihre Stimme klang leidenschaftlich, war reich an Farben und optisch war sie eine prachtvoll stolze Erscheinung. In der Nilarie misslang ihr aber das gefürchtete Hohe C was im Publikum zu einzelnen Missmutsbekundigungen führte und da die Sängerseele doch meist sehr verletzlich ist, legte diese phantastische Sängerin die Rolle wieder ab.

An ihrer Stelle übernahm nun in München Krassimira Stoyanova mit einer technisch sehr schön geführten doch für diese Partie etwas leicht veranlagten Sopranstimme. Sie sang die erste Arie „Ritorna vincitor..“ sehr schön und bekam dafür kräftigen Szenenapplaus. Die Nil Arie gelang ihr auch wunderbar, doch vor dem gefürchteten hohen C nahm sie noch einen extra Atem, was die musikalische Linie störte. Krassimira Stoyanova wechselt schon in der Mittellage ins kräftigere Brustregister und die daraus resultierenden Noten klingen raumfüllend, doch verliert sie dann in der Folge das von Verdi gewollte „Filo di voce“ in den höheren Pianopassagen.

Im dritten Akt, beim Duett mit Radames, gelingt ihr dann nicht optimal das hohe B bei „ fuggiam, fuggiam…“ und am Ende des Duetts „Nella terra aventurata..“ fehlt es der Stimme an der erforderlichen Dramatik und der notwendigen strahlenden Höhe, um das von Verdi gewollte starke Orchester effektvoll zu übertönen. Persönlich möchte man der Sängerin eher davon abraten, diese teilweise doch sehr dramatisch veranlagte Partie zu oft zu singen um der Stimmgesundheit nicht zu schaden.

Die Stärken von Stoyanova wird man vor allem in den elegant gezogenen Legatobögen und den wunderschön getragenen Piani der lyrischen Stellen finden. Das Duett im vierten Akt mit Jonas Kaufmann war reine Magie, wobei beide Stimmen vollkommen miteinander harmonierten und Momente der Ekstase erzeugten.

Eigentlich sollte diese Oper in München nicht „Aida“ sondern eher „Radames“ heissen, denn Jonas Kaufmanns Erscheinung als Radames ist stimmlich und darstellerisch einfach göttlich.

Die gefürchtete Arie „Celeste Aida“ am Anfang der Oper, singt er mit viel Schmalz und tenoralem Strahl wobei seine runde Stimme voll zur Geltung kommt. Jedes Wort versteht man bei perfekter Diktion bis in die letzte Reihe des Theaters. Das berüchtigte hohe B am Ende der Arie bei „ un trono vicino al sol“ setzt er zuerst im Piano an, macht dann crescendo und endet im „filo di voce“. Das Münchner Publikum dankt es ihm mit begeistertem Beifall.

Jedes Erscheinen auf der Bühne ist begleitet von seinem Charisma und egal wie voll die Bühne ist, er bleibt im Mittelpunkt des Geschehens. Dies verdankt er wohl nicht nur seinem guten Aussehen, sondern Großteils auch der übermächtigen Strahlung seiner Persönlichkeit.

Am Ende des dritten Aktes sang er die Stelle „Sacerdote, Io resto a te“ so emotional überzeugend und stark, das war Gänsehaut pur.

Anna Smirnova als Amneris war im ersten Teil der Oper für mich etwas enttäuschend und ich dachte mir noch, das wäre eine perfekte Larina in Eugen Onegin. Nach der Pause jedoch muss ich zugeben, dass ich mich da sehr getäuscht habe, denn im Duett mit Radames im vierten Akt „Già i sacerdoti adunansi..“ kämpft sie plötzlich wie eine Löwin um die Liebe von Radames. Ihre Stimme blühte dramatisch auf, überzeugte mit wunderbarer Höhe und auch in der Mittellage und im tiefen Register. Diese Szene mit Jonas Kaufmann als Radames klingt so echt, emotional stark und reisst das Publikum mit sich. Einfach grosse Oper!

Der König von Marco Spotti ist optimal besetzt und überzeugt mit schön geführter Baßstimme. Ain Anger als Ramfis ist mit seinem tiefen Bass und einem beeindruckendem Stimmvolumen, welches man so selten zu hören bekommt, auch szenisch sehr präsent. Franco Vassallo singt mit sehr schönem Timbre und hervorragender Italianità.

Dean Power meistert seine Rolle als Bote optimal und die Priesterin von Anna Rajah berührt mit schöner Stimme in ihrer kurzen Arie.

Optimal geführt das wunderbare Staatsopernorchester, der Chor und Extrachor der bayerischen Staatsoper von Dirigent Dan Ettinger.

Die Inszenierung von Christof Nel und das Bühnenbild von Jens Kilian sind schlicht und intelligent, einmal ganz anders…

Grosser Jubel und langer Schlussapplaus wohlverdient für alle am Ende.



 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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