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Berner Oberländer, 24. August 2015 |
Von Svend Peternell |
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Konzert in Gstaad, Menuhin Festival, 21. August 2015
Am Schluss war die Kaufmann-Tüte fast übervoll
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Gstaad Das Publikum im ausverkauften Festivalzelt musste lange auf
den begnadeten Startenor warten: 98 Minuten nämlich. Doch dann machte Jonas
Kaufmann aus seinen 4 Arien ein euphorisch beklatschtes Stimmenfest – mit 3
Zugaben. |
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Es gab solche in den Reihen des mit 1750 Plätzen voll besetzten
Festivalzelts, die von einer Mogelpackung sprachen. So im Sinne von: Wenn
ich eine Tüte mit Jonas Kaufmann kaufe, will ich sie vor allem mit ihm
gefüllt haben.
Ja, und dann steckt in diesem ersten Tütenteil doch
tatsächlich eine Sinfonie drin, die zwar wunderschön anzuhörende, aber eben
arienfremde sinfonische Dichtung «Aus Italien» von Richard Strauss –
übrigens sehr gehaltvoll vom Sinfonieorchester Basel und dessen
unspektakulärem, aber sehr gut strukturierendem Dirigenten Jochen Rieder
vermittelt.
Unfreiwillige Komik
Das Werk hat der Komponist als
22-Jähriger auf seiner Bildungsreise durch den europäischen Südzipfel mit
stimmungsvollen Impressionen tonal bebildert. Um dann launisch anzumerken,
dass ihm der Verdi und der Rossini so ziemlich den Buckel runterrutschen
können. Hoppla!
Zumindest Verdi stand ja auf dem Tüteninhalt mit der
Präsenz von Kaufmann, woraus er dann um 21.08 Uhr – 98 Minuten nach
Konzertbeginn – ebenso dramatisch wie bewegend-verzehrend von hellster Liebe
und schwärzestem Betrug aus der «Luisa Miller» singen sollte.
Strauss
als Lästerer also jener Italianità im zweiten Teil mit Tütenheld Kaufmann!
Das passt zwar zum Festivalmotto «Ironie et Musique», ist hier allerdings
eher unfreiwillige Komik.
Wozu gibt es denn Zugaben?
Und nun
zurück zu jenen, die sich ein bisschen ausgetrickst vorkamen, als sie ihr
teures Ticket früh buchten. Sie freuten sich nach den ersten Programmangaben
nämlich auf die schon erwähnte Italianità, aber auch auf eine Auswahl von
Lehár-Melodien mit mindestens einer Operettenarie aus dem Munde und der
Kehle des Vielgepriesenen.
Denn im Wiener Operettengenre und in den
Berliner Hits aus dem frühen 20.Jahrhundert hatte Kaufmann etwa in Eduard
Künnekes «Grosse Sünderin» gespürt, wie stark ihn das fordert. Im
aktualisierten Programmheft war dann vom Versprechen («das Gstaader Publikum
hat das Glück, diesen Sommer einige dieser Neuheiten kennen zu lernen»)
nichts mehr zu sehen. Macht nichts. Wozu gibt es denn Zugaben?
Da
kann man mit grosszügiger Geste die herrlichsten Bonbons noch nachreichen.
Jonas Kaufmann tat dies mit Sentiment und Charme, Natürlichkeit und
Charisma, mit ebenso unwiderstehlicher Empathie wie Identifizierungskunst –
und mit seinem edelgoldenen, verzierungsreichen, biegsamen, glanzvoll
glühenden, Wärme und Samtigkeit verströmenden Tenor, der nicht vergebens den
Ruf einer Jahrhundertstimme hat.
Und weil der 45-jährige Münchner
seine 4 Arien aus dem Romantik- und Verismo-Genre von Ponchielli über
Puccini und Mascagni mit derartiger Hingabe und Qualität vortrug, wurde aus
den 19 Minuten reiner Gesangszeit alsbald eine solche von 30 Minuten.
Kaufmann hatte eben 3 Zugaben initiiert und Generosität gezeigt. So viel
war ihm die Standing-Ovations-Zeit von 27 Minuten (!!) Wert. Dass er dann um
22.22 Uhr Feierabend machen wollte, konnte ihm niemand verargen: Eine 4.
Zugabearie hätte das 4er-Grundangebot rekordverdächtig egalisiert.
Bei «Fidelio» in Salzburg
Christoph Müller, Intendant des Gstaad
Menuhin Festivals, wurde durch den Medienhype mit Westschweizer Fernsehen
und «Glanz&Gloria» mächtig in Trab gehalten: «Man muss auf dem Boden bleiben
und den Starauftritt in Relation zum ganzen Festival sehen.»
Zur
«Mogelpackung» meint er: «Die 4 Arien sind von Anfang an so kommuniziert
worden, weil Jonas Kaufmann mit den zahlreichen ‹Fidelio›-Auftritten in
Salzburg seine Stimme schonen musste. Weil es aber schwierig war,
musikalische Opernauszüge und Arien auf einen ganzen Abend zu verteilen,
riet Dirigent Jochen Rieder zu einer Sinfonie vor und einer Operngala nach
der Pause.»
Den Mogelpackungsvertretern seis gesagt: Sie haben mit
Richard Strauss ein Zusatzgeschenk erhalten – ohne diesen wären es 45
Minuten weniger Musikgenuss gewesen! |
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