Kultura extra
Andre Sokolowski
 
Schubert: Winterreise, Berlin, Philharmonie, 1. April 2014
 
WINTERREISE
 
 
Schuberts Winterreise ist die Königsdisziplin des Liedgesanges. Sängerinnen oder Sänger, die den anderthalbstündigen Zyklus für sich auserwählen und/oder vorherbestimmen, sollten (vorher) wissen, was sie tun. Diese Vertonung der zwei Dutzend Wilhelm Müller-Gedichte ist nicht bloß eine rein musikalische Herausforderung für die jeweiligen Interpreten (auch den Pianisten, wohl gemerkt!) - sie scheint auch "inhaltlich" und also lebensphilosophisch eine Art Gereiftheitsanspruch zu verlangen, der nicht ohne Weiteres zu unterschlagen ist. Einer der größten Liedtenöre aller Zeiten - Peter Schreier (um ein Beispiel nur zu nennen) - wartete mit ihr solange bis er dachte, jetzt (jetzt endlich!!) bin ich hierfür reif; als er die Winterreise erstmals sang, war er schon über 50.

Jonas Kaufmann ist noch nicht so alt wie Peter Schreier damals, und er sieht ja auch viel jünger aus als er dann wirklich ist. Er wird auch, wie das halt bei Weltstars heutzutage üblich ist, "nicht nur" als Mensch, sondern (von seinen Profiteuren) folgerichtig und v.a. auch als Name und als Marke ausgestreut, gehandelt, fortgeführt - - rein zufällig klebte ein SONY-Beipackzettel im Programmheft der Berliner Philharmoniker zu seinem Liederabend mit der Winterreise, wo auf das Dezenteste die neue Jonas-Kaufmann-Star-CD beworben worden war - da ist dann auch das Platten-Cover (s. Foto) abgebildet, wo wir eines mit 'ner laukühlend aussehenden Kapuze luftig-leicht umhülltes Jonas-Kaufmann-Hauptes angesichtig werden; ein gestellt-verträumter Blick des derart Abfotografierten geht nach links und richtet sich mehr oder weniger ins Leere...

Helmut Deutsch, Kaufmanns Klavierbegleiter, war (und analog zur angekündigten CD) natürlich auch mit auf dem Podium in der ausverkauften Philharmonie Berlin.

Es brauchte seine Zeit, bis Beide (Kaufmann als wie Deutsch) sich in der Winterreise derart "aufzuhalten" pflegten, dass man in der Tat von einer - allerdings mit deutlich vielen Abstrichen zu registrierenden - interessanten und ambitionierten Darbietung nachträglich sprechen konnte. Meistens hatte man es allerdings mit einem immer wiederkehren Laut-Leise-Wechsel hörerisch zu tun; entweder nahm man Kaufmanns allzu "großes" Flüstern wahr oder man tat sich an seinen "Nie sollst du mich befragen"-Sound im Falle äußerster gesanglicher Erregtheit rückbesinnen. Erst im einundzwanzigsten der Lieder (übertitelt mit Das Wirtshaus) kriegte man so einen innig-leisen Schauer, dafür umso überraschender, verpasst, dass der Gedanke wehmütig entstand, weshalb nicht vorher schon der Inhalt passend an die Form gekoppelt war; ja und beim Leiermann am Schluss - den hatte Kaufmann zwar in echt verstanden, aber Deutsch lieferte ihm "nicht richtig" zu...

Keiner von Denen, die ein paar Wochen zuvor die Winterreise schon mit Christian Gerhaher erleben durften, trug sich je mit dem Gedanken, dass es eine musikalisch-inhaltliche Steigerung zu diesem Ausnahmekonzert hätte womöglich geben können. Dennoch war die Neugier groß, wie ein im deutschen, im französischen, im italienischen Opernfach Triumphe Feiernder sich jetzt - als wäre es nichts weiter wie die Umsetzung von einer launigen Idee - mit Schubertliedern auseinandersetzen würde:

Kaufmanns Wille hatte etwas rührend Ehrliches. Allein - er hätte damit noch paar Jahre warten sollen.












 
 
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