Bayernkurier, 29. November 2014
Wolfgang Johannes
 
Puccini: Manon Lescaut, Bayerische Staatsoper, München, 15.11.2014
 
Frau Netrebko wurde nicht vermisst
 
Puccinis „Manon Lescaut“ in München: Umbesetzung ist für Inszenierung kein Schaden
 
Der Austausch eines Stars in letzter Minute muss kein Schaden für eine Inszenierung sein. Puccinis „Manon Lescaut“ in der Inszenierung von Hans Neuenfels an der Bayerischen Staatsoper in München ist bestes Beispiel dafür - auch Bayreuth kennt das Problem nur zu gut.

Seit es Oper gibt, immerhin seit 400 Jahren, genießt sie ein hohes gesellschaftliches Interesse, ist sie für Diskussionen, Tratsch und Skandale gut. Doch selbst wenn Anna Netrebko 14 Tage vor der Premiere an der Bayerischen Staatsoper von Giacomo Puccinis „Manon Lescaut“ wegen Meinungsverschiedenheiten mit dem Regisseur Hans Neuenfels absagt, kann eine geschickte internationale Besetzungs-Rochade genügen, den Schaden zu beheben - mehr noch, aus der Umbesetzung Kapital zu schlagen.

Kristine Opolais spielt (und singt mit stetig warm stömendem Sopran) statt der Superdiva die berühmte Schönheit aus dem Roman (1731) von Abbé Prévost, die Liebe sucht und Luxus vorzieht. Bis sie mit anderen käuflichen Frauen ins noch so junge wie trostlose Amerika deportiert wird, begleitet vom jungen Des Grieux, der sie seit der ersten Begegnung liebt und in dessen Armen sie, zu Tode erschöpft, nach einem leidenschaftlichen Bekenntnis ihrer Liebe stirbt. Diesen vierten Akt der frühen Puccini-Oper wird Kristine Opolais und Jonas Kaufmann als Des Grieux so schnell niemand nachspielen: eine leidenschaftliche, existenzielle, ergreifende Liebesgeschichte am Rand der Welt in der Stunde null.

Hans Neuenfels, Nestor aller Bühnenschocker, hat es bei einem rätselhaft aufgepolsterten Chor belassen, ansonsten herrscht in den Neonlicht-gerahmten Bildern von Stefan Mayer strengste Askese, die allen Raum der zerrissenen Manon, dem glühenden Des Grieux und den vorübergehend Mithandelnden überlässt, alle überzeugend besetzt. Am Pult des Staatsorchesters steht Alain Altinoglu, ein versierter Enddreißiger, der des jungen Puccinis Farbenpracht und plastisch gebändigtes großes Gefühl - manchmal zu laut - ohne Sentimentalität durchhält. Bravo­stürme. Frau Netrebko wurde nicht vermisst.
















 
 
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