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Drehpunkt Kultur, 20/11/14 |
Von Oliver Schneider |
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Puccini: Manon Lescaut, Bayerische Staatsoper, München, Vorstellung 19.11.2014 |
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Renato und Manon
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Als ob Anna Netrebko nicht bereits lange genug im Geschäft wäre, um zu
wissen oder zumindest herausfinden zu können, was sie bei einer Regiearbeit
von Hans Neuenfels erwartet. Kurzfristig trennte man sich, wie es in einer
Mitteilung der Bayerischen Staatsoper hieß. Kristine Opolais sollte
eigentlich zu dieser Zeit in New York die Mimì singen, entschied sich aber
stattdessen wieder einmal, im Münchner Nationaltheater einzuspringen. Das
war Glück im Unglück, denn die Opolais passt ausgezeichnet in das Konzept,
das Neuenfels für diesen Abend entworfen hat.
In seiner „Manon
Lescaut“ hat die Liebe von Anfang keine Chance. Der schwarze Bühnenraum, der
vorne, hinten und am Boden mit drei Neonlicht-Rahmen begrenzt wird, die
schwarzen Kostüme der Protagonisten – sogar die in Amiens ankommende
Postkutsche ist schwarz – machen das von Anfang an deutlich. Da kann Jonas
Kaufmann sein „Donna non vidi mai simile a questa“ im ersten Akt noch so
schmachtend-cremig singen.
Was sofort auffällt: Altmeister Neuenfels
gibt sich in seiner jüngsten Arbeit altersmild. Er erzählt das Sich
Verlieben der Todgeweihten, deren Flucht, Manons Entscheid, sich vom
Lüstling Geronte aushalten zu lassen, ihre Verhaftung und Deportation und
schließlich ihren Erschöpfungstod im amerikanischen Nirwana ohne viel
Drumherum.
Die Handlungsorte werden auf die Bühnenrückwand
projiziert. In den Umbaupausen zwischen den Akten werden außerdem immer
wieder mehr oder wenige passende Texte auf den Zwischenvorhang eingeblendet,
die das Denken und Fühlen des Protagonistenpaars noch deutlicher machen
sollen. Ob das neben der Musik noch nötig ist, ist die Frage, aber es stört
auch nicht.
Neuenfels zeichnet Manon nicht als ein Flittchen, sondern
mehr als eine nach Luxus Süchtige. Opolais‘ Manon erkennt durchaus, dass sie
den falschen Weg eingeschlagen hat, schafft es aber nicht, umzukehren.
Zumindest zu Beginn des Abends noch nicht. Nach einem jugendlichen Flirt und
der Flucht mit Des Grieux, wird sie – nicht ganz unverständlich – von der
Aussicht auf Schmuck und anderen Luxus bei Geronte angezogen. Doch in ihrem
funktional-kühlen Schlafzimmer in seinem Haus wirken Perlen und Brillanten
wie Fremdkörper, genau wie sie selbst. Ein erstes Mal flackert ihre
(wirkliche) Liebe zu Des Grieux deshalb hier auf, als er sie zur Flucht
bewegen will. Doch noch einmal steht ihr der Reiz des Luxus im Wege.
Das folgende Intermezzo bildet den endgültigen Wendepunkt in Manons und Des
Grieux Leben. Gemeinsam ziehen sie in die Verbannung. Für einen Neuanfang
ist es aber schon zu spät. Es sind vor allem die beiden letzten Akte, in
denen der Münchner Opernabend seine Dichte entfaltet. In denen zwei
gebrochene Menschen im Hafen von Le Havre vergeblich um Gnade flehen und
sich im Schlussakt – Puccinis Tristan – vergeblich versuchen, gegen das
Schicksal aufzubäumen. Auf der leeren, von Neonlicht kalt erleuchteten Bühne
setzen sie barfuss, unsicher und kraftlos einen Schritt vor den anderen.
Hier kann es kein Menschenglück geben. Und hier läuft die Opolais in ihrer
großen Arie „Sola, perduta, abbandonata“ zu Höchstform auf. Hier vergisst
man, dass ihre Stimme eigentlich wenig Glanz hat und in der Höhe immer
wieder zur Schärfe neigt.
Vor allem die ersten beiden Akte würden es
nahe legen, Puccinis erste Erfolgsoper nach Renato Des Grieux zu benennen.
Und wenn Jonas Kaufmann die Partie gestaltet, wäre das auch gerechtfertigt.
Mit seinem bronzefarbenen Timbre, der breiten Mittellage und Strahlkraft in
den Spitzentönen ist er als Des Grieux eine perfekte Besetzung. Dies auch
deshalb, weil er sich wieder einmal bemüht, nicht nur mit Kraft zu punkten.
Souverän gestaltet und singt Markus Eiche Manons Bruder als schmierigen
Strippenzieher, der seine Schwester aus Eigennutz ins Unglück stößt, während
Roland Bracht als Geronte vor allem röhrt. Weitere Ensemblemitglieder
beweisen in kleineren Partien das hohe Niveau der Bayerischen Staatsoper.
Die rothaarigen Damen und Herren des Chors sind schließlich in graue Larven
gehüllt und erinnern so an entfernte Verwandte der Bayreuther Ratten (wieder
vorbildlich einstudiert von Sören Eckhoff).
So wie es Neuenfels
gelingt, die vier Ausschnitte aus dem Leben der beiden Protagonisten zu
einer Gesamtsicht zu verbinden, so legt Alain Altinoglu mit dem
ausgezeichneten Bayerischen Staatsorchester einen verbindenden Teppich über
den Abend. Es ist sehr ernster Puccini, der im Einklang mit der Regie über
weite Strecken eher hart und unerbittlich auf das dunkle Ende fokussiert
klingt. Streckenweise würde man sich allerdings wünschen, dass der junge
französische Dirigent das Orchester zu Gunsten der Solisten etwas
zurücknehmen würde. Am Ende der besuchten, zweiten Vorstellung gab es für
ihn und das Orchester sowie alle Protagonisten einhelligen Jubel. Zu Recht.
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