Tagblatt, 18.11.2014
JÜRGEN KANOLD
 
Puccini: Manon Lescaut, Bayerische Staatsoper, München, 15. November 2014
 
 
Viel Theater um die Regisseure Ärger in Bayreuth und eine
"Manon Lescaut" an der Bayerischen Staatsoper, in der nur die Sänger triumphieren
 
 
Skandal! Oder auch nur mediale heiße Luft? Reden wir also von der lieben Not der Opernintendanten, die meinen, das alte Repertoire immer wieder ganz neu, wie nie gesehen auf die Bühne bringen zu müssen - und damit viel Theater um die Regisseure des Regietheaters auslösen. Die deutsche Opernwelt ist gerade etwas in Aufruhr.

....(Bayreuth, ausgelassen)...

... Aber vielleicht springt ja diesmal Hans Neuenfels, der 73-jährige Altmeister des Regietheaters, ein. Neuenfels inszenierte 2010 in Bayreuth den "Lohengrin" im Labor: Mit Ratten, die immer menschlicher werden, wird dort nach Heilmitteln geforscht, nach einem Medikament, das zur Erlösung verhilft. Nach anfänglichem Buh-Geschrei entwickelte sich dieser "Lohengrin" von Jahr zu Jahr erstaunlicherweise zum Festspielrenner.

Regie-Rebell Neuenfels trifft Superstars in der Luxusoper - das sollte nun auch ein Coup von Staatsintendant Nikolaus Bachler an der Bayerischen Staatsoper werden. "Manon Lescaut" des leider oft unter Kitsch-Verdacht stehenden Giacomo Puccini: dekonstruiert, aber mit Anna Netrebko und Jonas Kaufmann. Doch dann warf die russische Sopranistin die Titelpartie hin. Es habe unterschiedliche Auffassungen über das Werk zwischen Netrebko und Neuenfels gegeben. Tja. Kristine Opolais übernahm - und die Spannung stieg noch.

Was dann freilich am vergangenen Samstag im Münchner Nationaltheater zu erleben war, das enttäuschte - zumindest skandalmäßig. Zahnlos bis demütig, aber auch einfach klug zeigte Neuenfels, um was es in dieser Oper über eine Frau, die sich nicht zwischen Geld oder Liebe entscheiden kann und arm und verzweifelt stirbt, nun wirklich geht: um menschliche Leidenschaften, um verlorene Seelen.

Das zeigte er auf fast kahler, lichtfokussierter Bühne auch mit drolligem Märchenpuppen-Chor und harmlosen Bogenschützen. Dazu gibt's, Neuenfels-üblich, eingeblendete Texttafeln. Das ist eine schöne Pointe, wenn nach dem ersten Trubel noch einmal der Vorhang fällt: "Wenn eine Kutsche kommt, fängt die Oper an, sagte Giacomo Puccini." Manon Lescaut also ist jetzt da, und Kavalier Des Grieux verliebt sich herzzerreißend. Stimmt schon: Jetzt kommt die große Musik. Später erklären Neuenfels' Texteinblendungen nur noch die Handlung.

Weshalb die Netrebko da nicht mitspielen wollte? Vielleicht hat die Diva auch nur begriffen, dass der Kollege Jonas Kaufmann sie an die Wand singen wird. Großartig, wie der Tenor den unglücklich liebenden Des Grieux verkörpert: ungemein differenziert, farbenreich. hochemotional. Und weil Kristine Opolais eine ausdrucksvolle Manon ist und Alain Altinoglu mit dem Staatsorchester zwar etwas laut und ausgedehnt den Puccini dirigiert, aber doch gefühlvoll den Klang auskostet, bleibt die Erkenntnis: Am Ende triumphiert in der Oper die Musik.














 
 
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