|
|
|
|
Die Presse, 07.04.2013 |
hd |
|
Schubert: Winterreise, Wien, Konzerthaus, 6. April 2013 |
|
Kaufmanns ausdrucksstarke "Winterreise"
|
|
Noch nicht ganz fit ging der Tenor im Wiener Konzerthaus das Schubert-Wagnis
ein.
Unerbittlich rücken sie aufeinander zu: Immer enger wird der
Spielraum für den Protagonisten, dessen Stimme das Klavier in Mittellage
verdoppelt, während sich Bass und Oberstimme in bohrenden Halbtonschritten
darauf zubewegen. Man muss die Noten dieser „Augenmusik“ nicht vor sich
haben, um das existenziell Bedrängende in Schuberts „Wegweiser“ zu
begreifen, es teilt sich ja primär akustisch mit.
Aber man erkennt so
noch deutlicher, mit welch einfachen Mitteln Schubert hier auf geniale Weise
größte Wirkung erzielt. „Der Wegweiser“ ist eines der Schlüsselstücke der
„Winterreise“. War vorher Hoffnung zumindest noch eine theoretische
Möglichkeit, so bleibt nach dieser Ton gewordenen Beklemmung nur mehr
Resignation. Und es ist der Moment bei Jonas Kaufmanns Darstellung des
Zyklus am Samstag im Wiener Konzerthaus, an dem er und sein Klavierpartner
Helmut Deutsch in einem dem Großen Saal gerade noch zuträglichen Pianissimo
zur größten Ausdruckstiefe fanden.
Krasse Gegensätze
Kaufmann, gerade von einer Erkältung genesen, tat sich die „Winterreise“
trotzdem an – und es kam tatsächlich so, wie er es in seiner kurzen
„Entschuldigung“ angedeutet hatte: Die noch angegriffene, kämpfende Stimme
ließ manche Passagen noch eindringlicher wirken, zumal Kaufmann ohnehin
einen oft opernhaft dramatischen Zugang wählte und das krasse Konfrontieren
von Gegensätzen in den Vordergrund rückte. Thema war weniger „Schöngesang“
als vielmehr ein unbedingter Ausdruckswille, wozu es freilich auch eines
künstlerisch mindestens ebenbürtigen Klavierpartners bedarf, wie er in
Deutsch zur Verfügung stand.
Bei höher gelegenen Forte-Passagen
forcierte Kaufmann allerdings mitunter beträchtlich, manch Piano war dafür
ein Wagnis an der Grenze zur Gefährdung. Doch ohne Wagnis ist bei einer
„Winterreise“ nichts zu gewinnen, und oft gelang es ja auch: Eben beim
„Wegweiser“, dem die Stimmungsschwankungen zelebrierenden „Frühlingstraum“
und beim „Leiermann“, nach dem sich Kaufmann zum Glück trotz heftigen
Beifalls nicht zu Zugaben hinreißen ließ. Denn nach dem Fragezeichen, das
diese auskomponierte Todessehnsucht setzt, kann nichts mehr kommen. hd
|
|
|
|
|
|