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Donaukurier, 28.06.2013 |
Von Jesko Schulze-Reimpell |
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Verdi: Il trovatore, Bayerische Staatsoper, 27. Juni 2013 |
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Strafarbeit für Regisseure
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München (DK) Die Münchner Opernfestspiele sind eine Gelegenheit für die
reiche Bayerische Staatsoper, einmal im Jahr die Muskeln zu zeigen. Da muss
natürlich mindestens ein echter Star auf der Bühne stehen. Heuer sollte
Jonas Kaufmann mit dem Rollendebüt des Manrico in Giuseppe Verdis Oper „Il
Trovatore“ dem Festival den absolut notwendigen Glanz aufsetzen.
Aber
Kaufmann, ein blendend aussehender, hochintelligenter Publikumsliebling –
das männliche Pendant zu Anna Netrebko – besitzt leider keine so
leichtgängige Stimme wie etwa sein Konkurrent im Wagner-Fach, Klaus Florian
Vogt. Gerade im Piano wirkt der Tonansatz stets ein wenig angestrengt, im
Mezzoforte ist sein Tenor manchmal merkwürdig fahl, und selbst wenn er das
hohe C stemmt, in München bei der berühmten Stretta, fehlt seiner Stimme das
letzte bisschen männlicher Durchschlagskraft. Aber Kaufmann ist ein kluger
Gestalter. In der berühmt-gefürchteten Tenor-Nummer „Ah si ben mio“ zeigt er
viel nachdrücklicher sein Talent: Was für ein todessehnsüchtiger Gesang ist
da zu hören, was für ein fein geformtes Piano, was für ein feuriges Forte.
Hier steht kein strahlender Tenor mit stahlhart metallischer Stimme auf der
Bühne, sondern ein verzweifelt Liebender am Abgrund seiner Existenz. Jonas
arbeitet mit Nuancen, die man ihm hier bei seinem ersten matten, etwas
intonationsunsicheren Auftritt noch nicht zugetraut hätte.
Dass die
Eröffnung der Opernfestspiele zum musikalischen Ereignis wurde, gelang am
Ende dennoch eher trotz Jonas Kaufmanns Manrico und nicht wegen ihm. Denn
besonders Anja Harteros, die hübsche Rheinländerin mit griechischen Wurzeln,
lief dem Tenor den Rang ab. Ihr Sopran kennt eigentlich keine Schwächen, ist
voluminös, aber auch lyrisch. Und die Darstellerin der Leonora hat das
gewisse Etwas. Harteros kann in entscheidenden Momenten ihrer Stimme
plötzlich eine ungewöhnliche Färbung verleihen, kann das Vibrato
herausnehmen und Töne von erschütternder Intensität erzeugen. Und noch zwei
weitere Darsteller machten Eindruck: Elena Manistina als Zigeunerin Azucena
besitzt einen rassigen Mezzo mit sonorer Tiefe. Und Alexey Markov als Graf
Luna, der Gegenspieler von Manrico, ist ein Bösewicht, dessen Seele so
schwarz ist wie sein gewaltiger Bass.
Und dann ist da noch der
Dirigent Paolo Carignani. Selten hat man Verdi so feurig, so engagiert
gehört wie an diesem Premierenabend. Der Italiener schreckt vor
Tempobeschleunigungen, Rubatos und langen Fermaten nicht zurück – und bringt
dabei doch die Sänger so gut wie nie aus dem Konzept. Sein „Trovatore“ kommt
in plakativen Farben daher, deftig, mitreißend, so zugespitzt, wie Verdi
sich Oper immer gewünscht hat.
Musikalisch ist „Il Trovatore“
bekanntlich ein Traum. Eine Oper mit immenser Ohrwurm-Dichte, ein
Abenteuerspielplatz für begnadete Sänger. Das Libretto dagegen? Sagen wir es
ganz offen: Die Geschichte um zwei Männer, die hartnäckig und grausam um
eine Frau kämpfen und am Ende erfahren, dass sie Brüder sind, ist
wahrscheinlich die dümmlichste, unglaubwürdigste, widersinnigste aller
Verdi-Opern. Eine Strafarbeit für jeden einigermaßen intelligenten
Regisseur.
In München hatte der Franzose Olivier Py die Aufgabe
übernommen, das missratene Stück auf die Bühne zu bringen – und strengte
sich dabei furchtbar an. Eine Drehbühne ließen Py und sein Bühnenbildner
Pierre-André Weitz aufstellen, die durch heftige Zirkulation ständig alle
wichtigen Motive der Oper verwirbelte. Da sieht man wasserköpfige Babys,
eine nackte gebärende Frau, rätselhafte maskierte Figuren im Spiderman-Look,
brennende Kreuze und fechtende Alter Egos der Brüder mit Tiermasken. Die
Geschichte lässt Py nicht im 15. Jahrhundert (wie von Verdi vorgesehen),
sondern in einer Art frühkapitalistischer Fabrik spielen, ein schwarzer Ort,
gleißend erleuchtet von kaltem Neonlicht mit sich ständig drehenden
Schicksals-Zahnrädern.
Py kompensiert geschickt die dramaturgischen
Schwächen des Librettos. Die lang und breit erzählte Exposition lässt er
szenisch aufbereiten, im Mittelpunkt steht dabei die alte Zigeunerin, die
schon in der Vorgeschichte als Hexe verbrannt wurde. Wie ein Geist wandelt
sie stumm durch die Szenerie, nackt, alt und mit endlos langen blonden
Haaren. Die Ehrenrettung von Verdis Oper gelingt Py bei allem Aufwand nicht
ganz, das Panoptikum verwegener Einfälle und tiefschürfender Motive will
sich nicht zu einem Sinn gebenden Ganzen zusammenfügen. Aber es gibt viel zu
sehen und viel nachzudenken. Und in der Pause kann man sogar Jonas Kaufmann
in einer Zauberschau als „zersägte Jungfrau“ bewundern.
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