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Der Neue Merker |
D. Zweipfennig |
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Verdi: Il trovatore, Bayerische Staatsoper, 27. Juni 2013 |
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Bayerische Staatsoper/Premiere „IL TROVATORE“ – 27.06.2013 –
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Nach Langeweile nun Überaktionismus – ABER – ein grandioses
Sängerfest! |
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„Langweilig“ waren die letzten STO-Neuproduktionen für viele Besucher. Árpád
Schillings Rigoletto war langweilig, Dmitri Tcherniakovs Simone Boccanegra
war langweilig, ja sogar Calixto Bieitos Boris Godunow hatte diese Tendenz.
Nun war man also sehr gespannt, ob Olivier Py mit Il Trovatore endlich
mal wieder einen „Reißer“ auf die Nationaltheaterbühne bringen würde, denn
der Trovatore ist ja zweifelsohne an sich schon ein solcher. Um sich zu
langweilen, ist Pys Trovatore viel zu ärgerlich ob seiner überflüssigen, z.
T. dümmlichen Über-Action. Da wird jede Arie durch begleitenden
Schnickschnack dem Zuschauer vorbuchstabiert, dabei bekommt er doch via
Übertitel die Geschichte ohnehin Wort für Wort erzählt. Und um bloß keine
Langeweile aufkommen zu lassen, hat sich Py vom Bühnenbildner Pierre-André
Weitz (auch die zweckdienlichen Kostüme) eine Mordsmaschinerie aus
hässlichen Altmetallteilen und teilweise blendenden Leuchtstoffröhren bauen
lassen, mit vielen Kabäuschen und Plattformen zum Herumturnen für die Sänger
und Statisterie; das Ganze auf eine Drehbühne montiert. Drehbühne ist etwas
Wunderbares, wenn man sie zu schnellen Szenenwechseln nutzt, was ja
eigentlich deren Sinn ist. Py aber lässt die Drehbühne nahezu unentwegt
Karussell fahren, man wird ganz schwindlig davon – und der Sinn solchen
Überaktionismusses erschließt sich nicht; die ewige Dreherei stört ungemein.
Nur zu Lunas Arie, in welcher dieser der anbeteten Leonora nachsinnt, ist Py
– soll man sagen, zum Glück – nichts eingefallen und es kehrt ein
wohltuender Moment der Ruhe ein. Dies geschieht allerdings vor herunter
gelassenem Zwischenvorhang, direkt an der Rampe… Alle anderen Arien, Duette,
Terzette werden durch überflüssigen Aktionismus der Maschinerie und/oder
Statisterie und damit verbundene Geräusche gestört. Wenn das Karussell
endlich mal kurz verharrt, ist man recht froh, auch weil der stilisierte
Birkenwald auf einer der Seiten hübscher ist als die Stahlhütten auf den
anderen, um gleich darauf wieder dem Drehwurm anheim zu fallen. Dazu kommen
die nervenden Zusatzfiguren, mit denen Py dem Zuschauer die Handlung
womöglich plausibler machen möchte: Azucenas Mutter/die Hexe geistert
ständig herum, mal nackig, mal im Hemd; Babyleiber, blutig oder nicht,
werden durch die Szenerie gezerrt, einmal fährt ein Kabäuschen mit zwei
Wasserkopf-Kindern vorbei; eine Tänzerin räkelt sich mal so mal so
(ebenfalls auch schon mal nackt), Schaufensterpuppen, nackt und angezogen,
„verstärken“ hie und da die Statisterie. Leonora erscheint mit Sonnenbrille
– wie? Ach, sie soll blind sein – warum???? Deshalb verwechselt sie auch die
beiden Männer im ersten Akt bei ziemlicher Helligkeit und keineswegs in
nächtlichem Dunkel. Sie wird während ihrer kompletten großen Arie im 4. Akt
von einem schwarzen Geist (Blindenführer?) begleitet (schwarzes
Ganzkörpertrikot), den man sich zwar recht gut als Tod vorstellen kann
(bringt ein Wasserglas mit dem später von Leonora getrunkenen Gift – nicht
unplausibel), der aber durch seine unnötige Dauer-Anwesenheit auch wieder
stört. (Selbst mein Gatte, der sonst immer so stark auf „Action“ steht,
bekam bei dieser Aufführung des Guten zu viel). – „Nett“ auch Folgendes:
Luna singt ja auf Azucenas Frage, „wo ist mein Sohn“ – „man führt ihn zum
Richtblock“ , dabei rennt er ihm ein Messer in den Bauch, um dann erklären
zu können, „da schau, er ist tot“. –
Hatte Olivier Py vielleicht
Alpträume bei den Überlegungen, Il Trovatore inszenieren zu müssen? Diese
Alpträume vermochte er nicht recht zu verarbeiten und zu sortieren – dabei
kam das heraus. Py erzählt zwar – einerseits erfreulich – keine „andere“
Geschichte, wie es Tscherniakov beim Simone versucht hat, aber er meint
halt, er müsse die angeblich so wirre Trovatore-Geschichte (die so wirr gar
nicht ist) für jedes Depperl bis zum Gehtsnichtmehr aufdröseln. – Für nach
der Pause fiel Py noch was ganz Spezielle ein: Azucena ist hier als Chefin
eines kleinen Wanderzirkusses stilisiert; man spielt für das Theaterpublikum
schnell eine “Zersägter Jüngling“-Nummer, zu welcher sich Manrico von seiner
Mutter plus zwei Assistenten „zersägen“ lassen muss – immerhin ein
Lacherfolg und Sonderapplaus für Jonas Kaufmann…. — Wenn Sie noch mehr
Details erfahren wollen > Livestream-Übertragung am 05.07. auf
www.staatsoper.de .
Aber ein Glück gibt es doch – das musikalische!
Die viel zitierten „Vier besten Sänger der Welt“, hier sind in der Tat
welche dieses Kalibers versammelt. Dazu hat Maestro Paolo Carignani
inzwischen zu größerer Sängerfreundlichkeit als früher gefunden, Orchester
und Chor plus Extrachor der STO präsentieren sich des großen Verdi-Jubiläums
würdig und das Solistenquartett ist vom Feinsten: Jonas Kaufmann lässt bei
seinem Manrico-Debut seinen heldischen Super-Spinto-Tenor strahlen, dass es
eine Wonne ist, die Stretta ist ein gefundenes Fressen für ihn, aber wie bei
ihm üblich, zelebriert er gerade auch die Lyrismen der Partie mit Hingabe.
Alexey Markov ist, ebenso wie Kaufmann, ein ansehnliches Gesamtkunstwerk,
mit großem, wohltönendem Bariton. Eine Bomben-Mezzo-„Orgel“ hat Elena
Manistina; zwar verfügt sie nicht unbedingt über ein interessantes Timbre,
aber sie hat mit besagter Orgel alles, was es zu einer beeindruckenden
Azucena braucht. Leonora ist Anja Harteros, deren Sopran inzwischen riesig
gewachsen klingt, dabei ging leider etwas vom einst so aparten Timbre
verloren, und manchem mag ihr Sopran auch etwas „kühl“ vorkommen. Auf der
anderen Seite steht aber die superbe technische Bewältigung der Rolle, indem
sie himmlische Pianophrasen spinnt und andererseits auch ordentlich powert,
wo es angebracht ist. Als Ferrando hatte man extra den renommierten
Kwangchul Youn engagiert, der mit großem Bass und leider langem Tremolo zu
Werke ging. Mit viel Einsatz und schönem Sopran gab Golda Schultz Leonoras
Begleiterin Ines.
Wer sich also die Premierenübertragung vom Radio
mitgeschnitten hatte und sich diese im Nachhinein angehört hat, konnte sich
an einem großartigen Sängerfest, optisch ungestört oder mit eigenen
Fantasie-Bildern gewürzt, laben.
Die Serie im November 2013 vereinigt
um Jonas Kaufmann und Elena Manistina – Krassimira Stoyanova als Leonora,
den Ukrainer Vitaliy Bilyy als Graf Luna und Goran Jurić als Ferrando, unter
Carignanis Leitung.
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