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Südwest Presse, 29.6.2013 |
Jürgen Kanold |
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Verdi: Il trovatore, Bayerische Staatsoper, 27. Juni 2013 |
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Im Getriebe der Schicksalsräder
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Große Stimmen: Münchner Opernfestspiele starten mit "Il Trovatore" |
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Ein kolossales Bühnenbild und mächtig viel Spektakel - aber auch
große Stimmen: Die Münchner Opernfestspiele starteten mit Giuseppe Verdis
"Il Trovatore". Umjubelt: Anja Harteros und Jonas Kaufmann.
In dieser Spielzeit stand jetzt, nach "Rigoletto" und "Simon Boccanegra",
mit "Il Trovatore", also dem "Troubadour", bereits die dritte Verdi-Premiere
an.
Und zwar mit zwei Top-Sängern, die bezeichnenderweise beides
können, Wagner und Verdi: Anja Harteros und Jonas Kaufmann; vor vier Jahren
eröffneten sie schon einmal gemeinsam die Münchner Opernfestspiele, mit dem
"Lohengrin".
Wer über ein Ensemble dieser Weltklasse verfügt, liegt
bei Giuseppe Verdi immer richtig, denn dessen Musik zielt direkt aufs
menschliche Herz ab, unvernebelt. Wer das emotional singt, erobert das
Publikum. Großartig Anja Harteros: als Leonora eine aristokratische Seele
mit kostbarem Sopran; schon die Auftritts-Arie sang sie nachvollziehbar mit
der ganzen Gefühlspalette von Schwermut bis Hoffnungsglück. Auch die
koloraturenharte Leidenschaft drückte die 40-Jährige mit Wucht und als
unangreifbare Tragödin aus. Damit erntete sie den größten Pemierenjubel.
Superstar Kaufmann markierte vielleicht das hohe C der berühmten Stretta
nicht so kraftprotzend strahlend - aber er markierte es. Und bot allemal ein
dickes Pfund italienische Heldentenorseligkeit inklusive Schluchzer. Von
emotionaler Statur, mit gepflegt angreifendem Bariton: Alexy Markov als
Luna. Elena Manistina ist die unheilvoll leidende Azucena.
Regisseure
tun sich dagegen schwer mit Verdi, besonders mit "Il Trovatore". Das muss
man sich mal geben: Da wird eine Zigeunerin auf dem Scheiterhaufen verbrannt
- und deren Tochter Azucena raubt daraufhin den jüngeren Sohn des Grafen
Luna, um ihn an gleicher Stelle zu verbrennen und so den Tod der Mutter zu
rächen. Doch sie verwechselt das Kind und wirft aus Versehen ihren eigenen
Sohn ins Feuer. Pech? Oper!
Die krude Vorgeschichte ist allerdings
nötig, um einen dramatischen Konflikt zu schüren. Denn die beiden Todfeinde
Manrico (der von Azucena großgezogene Grafensohn) und der aktuelle Graf
Luna, die um die selbe Frau, um Leonora, buhlen, sind eben ahnungslose
Brüder. Eine schicksalsgetriebene Story, und natürlich endet sie nicht ohne
Bühnenleichen. Aber wie das alles inszenieren? Die Antwort des Franzosen
Olivier Py heißt: mit Totaltheater. Mit Rampensingen und Psychoanalyse, mit
Horror, Massenszenen und Puppenspiel, mit nackten Traum-Doubles und teurer
Robe, mit Mord, Spuk und Totschlag, mit Kolossal-Kulisse à la Metropolis und
gemaltem Waldsterben, mit Parallelräumen und Drehbühnen-Aktionismus - alles
da.
Was Pierre-André Weitz gebaut hat, ist eine burgenhafte
Maschinenwelt samt Lokomotive. Das weist auf die Uraufführungszeit des
"Trovatore" (1853) hin und darauf, dass der Mensch sich im Getriebe der
Schicksalsräder verfängt. Es geht auch um das drastisch mit
blutverschmierten Babys dargestellte Trauma des Gebärens und des
Kindverlusts. Und um Zauberei: Selbst in der Pause hat Jonas Kaufmann noch
einen Auftritt als "zersägte Jungfrau". Ja, darfs noch etwas mehr sein? Die
Zuschauer sind schwer beschäftigt, allen Aufwand des eigentlich nicht
unklugen Olivier Py zu verarbeiten - aber am liebsten hören sie den Sängern
und dem Chor zu.
Und der Soundtrack - sorry, die Musik? Nichts gegen
die gute alte Banda-Kultur Italiens, aber im Nationaltheater spielte
selbstverständlich das hervorragende Bayerische Staatsorchester unter dem
Italiener des Abends, unter Paolo Carignani. Der greift ordentlich an,
zeichnet aber auch feine melodische Bögen und liebt die Sänger. An diesem
Abend war Verdi der Sieger.
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