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Drehpunkt Kultur, 28. Juni 2013 |
Oliver Schneider |
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Verdi: Il trovatore, Bayerische Staatsoper, 27. Juni 2013 |
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Eine (fast) unendliche Bilderflut
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Kurzer, heftiger Premierenjubel vor allem für Anja Harteros und Jonas
Kaufmann am Donnerstag (27.6.) bei der Eröffnung der Münchner
Opernfestspiele.
Einen Vorgeschmack auf das sommerliche Schaulaufen
der Prominenz in Salzburg und Bayreuth bietet jeweils die Bayerische
Staatsoper zum Saisonende mit den Münchner Opernfestspielen. Heuer umso
mehr, weil die Festspieleröffnung mit Giuseppe Verdis „Il trovatore“
hochkarätig besetzt und entsprechend heiß begehrt war.
Eine
„trovatore“-Inszenierung stellt den Regisseur vor die kaum lösbare Aufgabe,
für eine Reihe in sich geschlossener Bilder um eine Liebes- und eine
Rachehandlung eine glaubwürdige, einigermaßen logische Umsetzung zu finden.
Die für das Verständnis wichtige Vorgeschichte und die das Bühnengeschehen
bestimmenden Ereignisse werden nur erzählt, auskomponiert sind nur Tableaus.
Nikolaus Bachler hat den französischen Regisseur Olivier Py mit der kaum
lösbaren Aufgabe bertraut.
Der Beginn des Abends stimmt
verheissungsvoll, wenn zu Ferrandos Erzählung die Vorgeschichte bebildert
wird. Der Vater des jetzigen Grafen Lunas hat die Mutter der Zigeunerin
Azucena verbrennen lassen, die sich dafür durch das Töten seines Sohns an
ihm rächen will, stattdessen aber den eigenen Sohn umbringt und seinen
zweiten Sohn Manrico als ihren Sohn aufzieht. Gut ist auch, dass die tote
Mutter als Schicksalstreiberin immer wieder auftaucht, um dem Zuschauer den
Handlungsfaden in Erinnerung zu rufen. Sie wird zu einer Klammer über die
aneinandergereihten Tableaus.
Gespielt wird auf einer restlos
überstellten Drehbühne, die mal ein Theater, mal eine Hauswand, mal eine
Gefängniszelle zeigt (Ausstattung: Pierre-André Weitz). Verschiedene Räder
im Bühnengestell erinnern an die Unausweichlichkeit des Schicksals. Alles in
schwarz, aber das versteht sich bei Py und Weitz von selbst und ist bei der
die Liebe zwischen Leonora und Manrico überschattenden Rachehandlung auch
stimmig.
Ärgerlich ist, dass Py wohl der Meinung ist, der Zuschauer
wisse gar nicht, was sich zwischen den vier Protagonisten ereigne. Vor allem
im ersten Teil des Abends werden jedes Cantabile, jede Cabaletta, jeder Chor
mit mehr oder weniger nötigen, oft choreographischen Einlagen bebildert.
Wenn sich Graf Luna, der Vertreter des heutigen Establishments, und Manrico
als Führer Aufständischer duellieren, wird das durch einen Slow-Motion-Kampf
zweier Tänzer mit Wolf- und Schafskopf zusätzlich verdoppelt. Zu Azucenas
„Stride la vampa“ brennt ein Baum auf der Bühne. Elena Manistina singt
wortdeutlich genug, und wofür werden bitte Übertitel projiziert?
Im
Zigeunerlager dominiert eine Dampflok die Bühne, immer wieder kommen Puppen
zum Einsatz, Kreuze brennen. Bis zum Ende des dritten Teils herrscht
permanente Betriebsamkeit, aber gleichwohl zieht sich der Abend. Das Zuviel
an Bildern wirkt überfordernd, und das Wenige an Handlung zwischen den
Protagonisten lässt die Regie brach liegen. Das ändert sich erst im letzten
Bild, in dem der Abend endlich mit einer hohen darstellerischen Dichte
aufwartet.
Es war vor allem das Duo Jonas Kaufmann und Anja Harteros,
das diese Neuinszenierung im Vorfeld zum Selbstläufer gemacht hat. Ob
deutsches oder italienisches Fach, die Harteros überzeugt in beiden
gleichermassen mit der emotionalen Beredtheit ihrer klangsatten Stimme. Als
Leonora kann sie vor allem mit ihrem sensiblem Legato und dem vollmundigen
Wohllaut ihres leuchtenden Soprans punkten. Ganz zu schweigen von ihrer
guten Diktion. Persönlichkeit darf die Harteros leider erst im Schlussteil
entwickeln, wenn sie aus Liebe zu Manrico dem Leben entsagt. Stimmlich
zeigen die Anforderungen im zweiten Bild des letzten Teils allerdings auch
noch Grenzen auf.
Publikumsliebling Jonas Kaufmann musste sich für
seinen Manrico am Premierenabend mit weniger Applaus zufrieden geben. Obwohl
Manrico der Anführer Fahnen schwenkender Revolutionäre ist, gibt er diesen
stimmlich nicht einfach nur als Kraftmensch. Er spürt auch in dieser Partie
die vielen Piani auf, mit denen er so zu überzeugen weiss. Klar, den
dramatischen Glanz in den Forte-Höhen muss man auch nicht missen. Was die
Differenz beim Applaus möglicherweise bewirkt hat? Kaufmanns Manrico ist
noch nicht ausgereift wie sein Don José, der Carlos oder seine
Wagner-Rollen. Aber es war ja schließlich auch das Rollendebüt.
Neben
Harteros und Kaufmann haben es die beiden anderen wichtigen Protagonisten
nicht leicht: Elena Manistina überzeugt aber von Anfang an als von Rache
getriebene Azucena mit glutvollem Gesang. Etwas zu neutral ist der Luna von
Alexey Markov, der energischer singen dürfte. In der kleinen Rolle des
Ferrando ist Kwangchul Yuon zu erleben, dessen würdevoll fliesßnder Bass dem
Hauptmann aus Lunas Heer eine Portion Abgeklärtheit verleiht.
Paolo
Carignani am Pult des sicher intonierenden Bayerischen Staatsorchesters
interessiert sich weniger für das hektische Brio in Verdis Übergangswerk.
Das mag zuweilen den Eindruck hinterlassen, dass es dem Abend an Verve
fehlt. Er sucht – und damit ist er vor allem Harteros und Kaufmann ein
kongenialer Begleiter – mehr nach den Zwischentönen. Wunderbar zu hören zum
Beispiel, wenn Azucena Manrico die dunkle Vergangenheit in einer Art
Krankenzimmer erzählt. Dass Carignani auch die Momente, in denen es laut
rasseln muß, auszukosten weiß, zeigt sich in den gut gesungenen Chorpartien
der Luna-Anhänger und der Aufständischen (Choreinstudierung: Sören Eckhoff).
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