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Mittelbayerische, 23.12.2013 |
Von Barbara Angerer-Winterstetter |
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Verdi: La forza del destino, München, 22. Dezember 2013 |
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Die dunkle Macht in Kusejs Verdi
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Giuseppe Verdis „Macht des Schicksals“ hatte am Sonntag in Starbesetzung mit Anja Harteros und Jonas Kaufmann Premiere am Münchner Nationaltheater. |
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München Schon zu den dunkel murmelnden ersten Takten der Verdi-Oper „Die
Macht des Schicksals“ sind wir mitten drin im Familien-Trauma der
Protagonistin Leonora: In einem kargen Zuhause im 60er-Jahre-Stil sitzt die
Familie des Marchese von Calatrava an einer großen Tafel vor einer
übergroßen Falttür, die mit weißen Vorhängen verdeckt ist. Auf dem Tisch
steht ein Kreuz, man betet und isst dann schweigend.
Leonora will
dieser Enge entfliehen – mit dem vom Vater als unwürdig verachteten
Geliebten Don Alvaro. Als sich versehentlich ein Schuss aus dessen Pistole
löst, wird der Vater tödlich verwundet und verflucht die Tochter. Ab da
werden drei Menschen in den Strudel von Rache und Schuld gezogen: Leonora,
die in der Einsamkeit sühnen will, Alvaro, der im Krieg Vergessen sucht, und
Leonoras Bruder Don Carlo, dessen Lebensziel es ist, das Unglücks-Paar
rächend zu meucheln.
Clevere Erfindung der Kirche
Das Libretto zu Verdis Oper ist – schlimmer noch als das des „Trovatore“
– eine Anhäufung von unwahrscheinlichen Begegnungen, die das Wüten des
Schicksals zeigen sollen. Dieses Schicksal jedoch stellt Martin Kusej,
Regisseur der Münchner Neuproduktion am Nationaltheater, in Frage: „Das
Schicksal ist eine clevere Erfindung der Kirche, die so mit den
Unzulänglichkeiten und Gefühlen der Menschen manipulativ umgehen kann – und
hier meint ,Kirche’ im Grunde jede Religion, die sich zu einer Art
Macht-Gemeinschaft organisiert und pervertiert hat“.
Auch Krieg und
Terrorismus als schlimmste Form dieser Perversion sind in Kusejs
Neuinszenierung mit den bedrückenden Bühnenbildern von Martin Zehetgruber
und den schlicht-kleidsamen Kostümen von Heidi Hackl vorhanden. Mit
Anspielungen etwa aufs zerstörte World Trade Center dringen Schreckensbilder
ins Bewusstsein Leonoras ein, die Rückzug in der Einsiedelei nahe einem
Kloster sucht.
Erstaunlichster, aber in sich logischer „Trick“ dieser
Inszenierung: In Padre Guardiano begegnet die junge Frau ihrem Vater wieder,
an dessen Tod sie sich schuldig fühlt, und gerät damit abermals in die Fänge
der patriarchalischen Macht der Kirche, zu der auch Verdi selbst ein
gespaltenes Verhältnis hatte.
Beeindruckend, wie Leonora zuletzt
unter Dutzenden von Kreuzen kriecht – und im Schlussbild der Vater neben
zwei toten Kindern sitzt. Kusejs Inszenierung lebt von diesem konsequent zu
Ende gedachten Ansatz, überdeckt damit Schwächen des Librettos, lässt aber
auch den Sängern Platz zur Entfaltung.
Schließlich ist diese
Produktion ein Sängerfest ohne gleichen: An der Spitze steht Anja Harteros,
die auf dem Zenit Ihrer Stimmkunst auch der Leonora differenziertesten
Ausdruck verleiht. Ihr übervoller Sopran verströmt sich im Piano ebenso
leidenschaftlich wie im Forte.
Leidenschaftlicher Wettstreit
Auf männlicher Seite wetteifern die beiden Widersacher der Verdi-Oper
auch musikalisch um die Krone des Abends, wobei der „Wettkampf“ zwischen
Jonas Kaufmann (Don Alvaro) und Ludovic Tézier (Don Carlo) stets
leidenschaftlich, aber unentschieden bleibt.
Vitalij Kowaljow gibt
mit herrlich strömendem Bass den Padre Guardiano und Nadia Krasteva zieht in
der eigenwilligen Rolle des Kriegs-Aufpeitscherin Preziosilla alle
stimmlichen wie darstellerischen Register. Auch aus dem Orchestergraben tönt
ein melodienseliger, manchmal breit, dann wieder schicksalshaft turbulent
angelegter Verdi mit dem Bayerischen Staatsorchester unter Asher Fisch.
Besonders beeindrucken können nicht zuletzt die Chöre und die Statisterie -
sei es als hungerndes Volk, als kriegsverrohte Soldaten oder als langhaarige
Mönche, die der büßenden Leonora im übergroßen Taufbecken ein
Ganzkörper-Reinigungsbad verpassen.
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