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Der Neue Merker
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Von Peter Skorepa |
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Puccini, La fanciulla del West, Wiener Staatsoper, 17. Oktober 2013 |
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WIEN/Staatsoper “LA FANCIULLA DEL WEST” Derniere
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Keine Frage, der Erfolg dieser Premierenserie und natürlich der
höchstwahrscheinlich glänzende Kassasturz lassen alle Fragen nach der
Notwendigkeit dieser Erweiterung des Repertoires verstummen. Ich denke, das
Publikum erkennt schön langsam die Qualität Puccinis gerade in diesem,
früher etwas abschätzig behandelten Werkes, von welchem Heinrich Mann
anmerkte, dass der Komponist hier angefangen habe “herb und ungefällig zu
werden”. Puccini verortet sich hier musikalisch als Nachfolger der Großen
des 19. Jahrhunderts mit dem gleichzeitigen Verweis auf die beginnende
Moderne. Es ist die Mischung aus seiner musikalischen Sprache mit den
Farbtupfern der Amerikanismen, mit dem sorgfältig dosierten Gaben an
Sentiment aber auch mit der Härte und Wucht der innewohnenden Dramatik, die
dieses Werk – hier muß man Heinrich Mann korrigieren – so gefällig machen.
Und natürlich hat ein Erfolg viele Väter: Diesmal eine heutzutage schon
unkonventionelle, weil konventionelle aber überzeugende Regiearbeit von
Marco Arturo Marelli, für die er ein riesiges Containercamp auf die Bühne
wuchtete, in welchem der “Würstelstand” Minnies beinahe beängstigend
erdrückt steht. Während das Designerhaus im Mittelakt genug Raum gibt für
das spannende Kartenspiel über Liebe, Leben und Tod erfolgt die etwas
märchenhafte Schlussapotheose in Form eines bunten Fesselballons, der im
Schienenwirrwarr und – wiederum – im Containermilieu eines Bahnhofgeländes
landet und die Liebenden in die ersehnte Freiheit entführt. Dagmar Niefind
entwarf die gelungenen und individuellen Kostüme für das Goldschürfermilieu.
Dass in dieser Abseitigkeit menschlicher Existenz kein Haute Couture Award
stattfindet, sieht man den Kostümen der Minnie besonders an: Salome Pockerl
im Wilden Westen.
Der wohl wichtigste Erfolgsbeitrag lag diesmal in
den Kehlen der Hauptdarsteller und bei Chor und Orchester der Wiener
Staatsoper unter ihrem Generalmusikdirektor. Dem gestrigen, bejubelten Abend
konnte auch der Ausfall eines Fagottisten ab dem zweiten Akt nichts anhaben:
Der Solofagottist im Konzerthaus fiel nämlich wegen Unpässlichkeit plötzlich
aus und das Staatsopernorchester stellte sofort einen “Leihspieler” zur
Verfügung, der bei Mozart aushalf.
Franz Welser-Möst dirigierte
schnörkellos, die Dramatik ebenso voll auskostend wie die herben
Sentimentalitäten in der Sängerbegleitung. Keine Frage: Tempo und Lautstärke
sorgen mehr als oft für Spannung auch dort, wo die Sänger im Klangrausch
überfordert wurden. Einzig die an Wagner geeichte Nina Stemme schaffte es,
sich auch im größten Forte noch mit ihren Spitzentönen durchzusetzen.
Ausgezeichnet auch im Spiel, diese kleine, starke Frau unter den Männern Und
wie sie das spielt, die Bibelstunde mit den Männern, ihre Verzweiflung in
der Liebe, ihr Kampf gegen den Sheriff, dieser diplomatische Meinungsdreh an
der Masse der Goldgräber zur Befreiung Johnsons, das alles ist
bewundernswert und so nur einer wahren Diva möglich, auch wenn die
Äußerlichkeit dank der “Verkleidung” da nicht mithält.
Wenn als Dick
Johnson aus Sacramento Jonas Kaufmann auf der Bühne erscheint, ein wenig
nach der Art “Hoppla, jetzt komm ich”, dann verdichtet sich die Figur des
Räuberhauptmanns zu einer Darstellung, von der man nicht weiß, wo hört
Kaufmann auf, wo beginnt Ramerrez. Ein Charmebolzen, dem man den Erfolg bei
den Frauen und erst recht bei der spröden Minnie sofort abnimmt, der mit
seinem männlichen Appeal letztlich auch die abgebrühten Figuren des Camps
für sich einnimmt und ein “Danilo des Westens” zu sein scheint, wenn er
Minnie zum Tanz auffordert. Dazu auch eine völlig überzeugende gesangliche
Gestaltung, die sich nie plakativ in den Vordergrund drängt.
Nur
einer läßt sich nicht überzeugen und weiß, dass mit dem Erscheinen des
Nebenbuhlers seine Chancen bei Minnie dahin sind: Jack Rance: Tomasz
Konieczny spielt das alles packend aber auch Mitleid erregend als großer
Verlierer mit dem großen Herzen. Und kann mit seiner eindringlichen,
gefährlich und bedrohlich klingenden, hellen, scharfen Stimme voll
überzeugen, obwohl er in dieser Rolle große und baritonal orgelnde Vorgänger
aufweist.
Es fehlt der Platz für die Aufzählung, aber soviel sei
gesagt: Alle Nebenrollensänger- und Darsteller sorgten mit ihrem Einsatz für
die gelungene Athmosphäre. Fünfzehn wären aufzuzählen, allen ein ganz
besonderes Dankeschön für diese Ensembleleistung.
Die voll
ausverkaufte Derniere endete mit großem Jubel und langem Applaus, das
Bühnentürl war wie in den besten Zeiten lange umlagert.
Mit dieser
Vorstellung geht eine ungemein erfolgreiche Premierenserie zu Ende. Nur mit
gleichem oder ähnlichem Einsatz an Spitzensängern wird sich ein derartiger
Erfolg wiederholen lassen, zur Freude der Kasseneinnahmen, aber vor allem
zur Freude der Besucher des Hauses. Leider ergibt sich in der laufenden
Saison keine Wiederholung. Wir dürfen gespannt sein.
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