Neues Volksblatt, 6.10.2013
Von Renate Wagner
 
Puccini, La fanciulla del West, Wiener Staatsoper, 5. Oktober 2013
 
Wellblech statt Wildwest
 
 
Puccinis Oper „La fanciulla del West“ unter Welser-Möst an der Wiener Staatsoper
 
Die erste Staatsopern-Premiere der Saison wurde live-zeitversetzt im Fernsehen gezeigt: Opernfreunde konnten also auch in OÖ den Triumph für Franz Welser-Möst und das Ensemble miterleben, erfochten für eines jener Puccini-Werke, die selten aufgeführt werden und es nicht mit dem Quartett „Boheme“, „Tosca“, „Butterfly“, „Turandot“ aufnehmen können. 1910 für die New Yorker Met geschrieben, spielt die Geschichte in einem kalifornischen Goldgräberlager, und obwohl die Musik Schönheiten besitzt, fehlen ihr doch „Ohrwurm“-Höhepunkte.

Der packende Abend, der dennoch daraus wurde, ist einer sorgfältig ausgewählten Besetzung geschuldet. Regisseur Marco Arturo Marelli hat nicht den Wilden Westen beschworen, sondern das Goldgräberlager in eine Container- und Wellblech-Welt versetzt, innerhalb der das Stück aber verlustlos stattfindet, wobei die Schauspielerführung bemerkenswert war.

Nur am Ende entschloss sich der Regisseur zu einem poetischen, man kann auch sagen: kitischigen Finale, wenn er Mimi und ihren Dick per Ballon (in Regenbogenfarben) in den Himmel steigen lässt.

Nina Stemme, auf den ersten Blick befremdend in Jeans-Latzhosen, Holzfällerhemd und mit knallroter Frisur, die ein Mittelding aus Pumuckl und Pipi Langstrumpf aus ihr macht, überspielt die Optik souverän und gestaltet diese wunderbare Frau, die um ihr Leben Poker spielt und sich ihren Geliebten vom Henkersstrick abschneidet:

eine Leistung von herrlicher, ergreifender Intensität mit einer Stimme, die ebenso schlicht und zart gebändigt wie in ungehemmter Attacke eingesetzt wurde.

Der erste Dick Johnson von Jonas Kaufmann war es wohl, der dafür sorgte, dass das Haus geradezu platzte, ausverkauft bis zum letzten Stehplatz, und er hat nicht enttäuscht: mit seiner gaumigen Mittellage, die sich in strahlende Höhen hebt, seinem fabelhaften Aussehen und der Charmeboy-Attitüde. Dagegen war Tomasz Konieczny, wie verlangt, ein wirklich unangenehmer Bösewicht Jack Rance.

Franz Welser-Möst hat sich die Oper gewünscht, weil sie so schwierig ist, eine echte Herausforderung für den Dirigenten, der nicht nur ein Riesenensemble zusammenhalten muss, sondern auch den differenzierten, in der Stimmung dauernd changierenden Klangteppich aufbereiten.

Welser-Möst trug diese „Fanciulla“, das ,Mädchen aus dem Goldenen Westen', wahrlich auf Händen. Dafür wurde er zu Recht besonders bejubelt.












 
 
  www.jkaufmann.info back top