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RP online, 15.08.2013 |
Volkmar Fischer |
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Verdi: Don Carlo, Salzburger Festspiele, 13. August 2013 |
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Salzburg: Peter Stein lähmt Verdi
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Salzburg (RP). Antonio Pappano dirigierte die Oper "Don Carlos" bei
den Festspielen. |
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Einen König hat man ihn genannt, einen Kobold auch. Der Regisseur Peter
Stein (75) löst als Mensch und Künstler verschiedenste Gedanken aus, je
nachdem, ob man ihn auf der Probe beobachtet oder eine Inszenierung aus der
Distanz beurteilt. Im Musiktheater geriet Debussys "Pelléas et Mélisande"
1992 in Cardiff ganz anders (und deutlich besser) als Henzes "Bassariden"
dreizehn Jahre später in Amsterdam. Was Verdi betrifft, werden sich einige
an "Simon Boccanegra" erinnern: Die bei den Salzburger Osterfestspielen vor
dreizehn Jahren gezeigte Produktion lebte von stimmungsvollen
Kolossalfotografien am Rundhorizont. Doch Vieles erstickte in Posen.
Über den aktuellen "Don Carlos" in Salzburg darf man dasselbe sagen. Das
Arbeitszimmer des Königs überrascht durch seine Enge, auch durch unschöne
Fliesen an den Wänden, in hellem Blau. Fast meint man in einen
gefängniszellenartigen Bereich des Palasts zu sehen, als sei schon der Tod
des Rodrigo an der Reihe. Aber nein, es stimmt natürlich: Philipp der Zweite
fühlt sich um jeglichen Lebenswillen gebracht, von der abweisenden Kälte
seiner Gemahlin einerseits, vom übermächtigen Gegenspieler namens
Großinquisitor andererseits.
Eine pointiert-aussagekräftige Szenerie
ist das also im Rahmen eines ansonsten symmetrieverliebten,
ästhetizistisch-manierierten Kostümfests zwischen stilisierten Fassaden und
Fenstern. Bei Stein herrscht stereotypes Rampentheater über vier Stunden,
also den lieben langen Abend lang. Es wird viel herumgestanden, die Sänger
brauchen gute Schuhe. Im Autodafé zeigt sich diesmal, dass ein Dirigent
keinen Taktstock braucht, um komplexe Massenszenen mit größter Präzision zu
bewältigen. Jedenfalls wenn Chor und Orchester so blendend aufgelegt sind
wie die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor und die Wiener
Philharmoniker an diesem Abend. Den willigen Kollektiven entlockt Antonio
Pappano einen spätsommerlich anmutenden, warm und mild gestimmten Klang.
Tenor Jonas Kaufmann setzt erfreulich selten darauf, in der Titelpartie
die seelische Zerbrechlichkeit eines sentimentalen Jünglings durch
kehlig-gutturale Laute zu signalisieren (wie er es in anderen Rollen zu oft
tut). Sobald der Tenor vokal die Muskeln spielen lässt, findet er zu
stattlicher Eloquenz, die nie in Effekthascherei umschlägt. Als Rodrigo
argumentiert Thomas Hampson für die Rettung Flanderns, bietet eine Balance
zwischen pulsierender Energie und flexibler Eleganz. Was es bedeutet, einer
Rolle das Antlitz eines von Vereinsamung gezeichneten Lebensgebirges zu
geben: Das sieht man bei Matti Salminen, der als Philipp weiß, was er seiner
seit rund fünfzig Jahren aktiven Stimme noch abverlangen kann.
Die
eifersuchtsgeplagte Eboli der Ekaterína Semenchúk überzeugt vor allem, weil
sie ihren üppigen Mezzosopran nie ordinär ins Feld führt. Verdis Wunsch,
Gesang in der Oper möge ein sinnlich-glühender Spiegel der Seele sein,
beherzigt die hochfeminine Elisabeth der Anja Harteros: Immense Klangfülle
geht bei ihr mit einer vielfältig schattierten Höhe einher, auch mit endlos
gespannten Atembögen. Nicht nur für sie gab es Ovationen.
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