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Die Welt, 15.08.13 |
Von Manuel Brug |
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Verdi: Don Carlo, Salzburger Festspiele, 13. August 2013 |
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Karls kalte Klosterkiste
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Gipfelwerk und Schwanengesang zugleich: Antonio Pappano befeuert im
Salzburger "Don Carlo" den Aufstand der alten Opernmänner. Das Problem: Die
Inszenierung blendet, rührt, bewegt – aber nur im Graben. |
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Man mag es kaum glauben. Bis weit in die Fünfzigerjahre gehörte "Don Carlo",
Giuseppe Verdis größte, längste und wohl auch schönste Oper, zu seinen
selten gespielten, als verworren und überladen abgetanen Werken. Das änderte
sich freilich gewaltig, auch in Salzburg. "Don Carlo" ist Festival-Oper
schlechthin, üppig und bombastisch, mit Vokalstaraufgebot als Stimmen- wie
Orchesterfest. Dabei lässt sich trefflich repräsentieren, nicht zuletzt
deshalb sind Salzburger "Carlo"-Premieren heute ausverkaufte 1a-Termine im
Großkampf der Kleider- und Schmuckparade, inzwischen auch im Zuschautragen
teurer Chirurgenkünste.
"Carlo" freilich, nicht "Carlos". Denn bis
heute hat man in Salzburg nicht (wie auch nicht in München oder Berlin) zur
Kenntnis genommen, dass es sich bei dem 1867 in Paris als vierte
Schiller-Vertonung Verdis uraufgeführten Opus um eine französisches Grand
Opéra handelt. Vielleicht neben Rossinis "Guillaume Tell" von 1829
Gipfelwerk und zugleich Schwanengesang der Gattung: weil Verdi hier das
Persönliche, die sich einbrennende Melodie des Individuums mit dem
Großflächigen der Masse, dem gemeißelten Gang der Historie zum wirklich
einzigartigen, nur in seinen – zugegeben – ausufernden Formen zu würdigenden
Monumentaltongemälde fügt.
Immerhin spielt man in Salzburg erstmals
Verdis fünfaktig italienische Fassung letzter Hand, mit wesentlichen
Ergänzungen aus dem Pariser Urmaterial. Was wohl auf den Dirigenten Antonio
Pappano zurückgehend dürfte. Der ist an dem weitgehend düstereren Abend das
strahlendste Licht. Weil er bei Verdi, wie gegenwärtig nur wenige, alles mit
wachem theatralischen Sinn souverän zusammenhält. Weil er ein untrügliches
Gespür hat für Verdis Klangprofil, die spezifische "Tinta" jeder seiner
Opern, hier sich langsam zusammenballend von der impressionistischen
Winterödnis des Beginns in Fontainebleau, zu flirrenden, auch sinnlichen
Hitze im Kloster San Yuste, bis zu den sich klanglich wuchtig entladenden
Schicksalseintrübungen der Finalakte. Und weil Pappano ein temperamentvoller
Lyriker ist, der Sänger liebend begleitet, gleichzeitig die lustvoll
folgenden Wiener Philharmoniker instrumental paradieren lässt. Dieser "Don
Carlo" blendet, rührt, bewegt, zumindest im Graben.
Auf der Bühne
inszeniert Peter Stein in Ferdinand Wögerbauers monumentalistischen
Bastelbühnenbildnern und Annamaria Heinreichs historienschlichten Kostümen
eine kalte Klosterkiste als stilisierte Haupt- und Staatsopernaktion.
Niemand erwartet wohl mehr von diesem selbst ernannten Lordsiegelbewahrer
der Tradition den Aufbruch in die Moderne oder auch nur einen Blick hinter
die Oberfläche; aber zumindest stand Stein einmal für psychologisches
Feilen. Doch davon zeigt sich so gut wie nichts mehr, es gibt nur noch
pauschale Gestik, dazu in den intimen Szenen viel Händeringen und zu Boden
Sinken. Ein Aufstand alter Opernmänner, manchmal, etwa im plakativen
Autodafé, müdes Spektakel.
Am Schönsten gelingt in dieser rigid
eindimensionalen Haltung noch das erste Bild. Selbst in der Armutsklage der
in Weißgrau als Skulpturen arrangierten Holzfäller vor dem die
Riesenbreitwandbühne umspannenden Lattenhalbrund, wo nur in der Mitte
klaustrofobisch eine Schlossfassade in trügerische Verheißung leuchtet,
bleibt jede Wirklichkeit im Operndraußen. Dieses Bild spricht wenigstens
stark für sich – so wie die in ihrer Verspieltheit in einem real adeligen
Barockfrankreich undenkbaren Vertrautheiten zwischen der wie als
Frühlingsbotin in Fuchsia und Blättergrün glänzenden Elisabeth und dem am
Ende in blauem Schneegestöber wie ein deutscher Romantik-Jüngling kauernden
Carlos.
Diese beiden, die ihre makellos marmorierten Vokallinien
schweben lassende Anja Harteros und der charismatische, seinen an sich
gleißenden Tenor mal polierenden, mal mattierenden Jonas Kaufmann, sind das
Verdi-Paar de Luxe de Stunde. Solide prinzessinglamourös, koloraturagil und
fatal auffahrend: die Eboli Ekaterina Semenchuks. Ein Bassbrüller ist Eric
Halfvarsons Großinquisitor aus der klerikalen Geisterbahn. Gar nicht mehr
laut: Robert Lloyds hohlklingender, aber goldener Klapperritter Karl V.
Mümmelig greisenhaft, um viele Farben betrügend: der Veteran Matti Salminen
als König Philipp.
Problematisch auch Thomas Hampsons Posa. Den hätte
man als Vaterersatz für Carlos inszenieren können, Stein spricht gar im
Programmheft (aber nur da) von homoerotischen Momenten. Nichts davon auf der
Bühne. Nur ein lange um frühere Kraft und vokale Eleganz ringender Sänger.
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