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Wiener Zeitung, 16.08.2013 |
Von Judith Belfkih |
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Verdi: Don Carlo, Salzburger Festspiele, 13. August 2013 |
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Wo Pinien noch Pinien sind
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Salzburger Festspiele: "Don Carlo" hält, was er verspricht |
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"Don Carlo" ist eigentlich eine Oper über Männerfreundschaft. Natürlich auch
über die Liebe. Wie es sich für eine tragische Oper gehört über die
unerfüllte. Über die Unmöglichkeit der Liebe zwischen den Geschlechtern und
zwischen Vater und Sohn. Und eine Oper über die Tragödie, die daraus für
ganze Nationen erwächst.
Bei der Premiere von "Don Carlo" bei den
Salzburger Festspielen erwies sich die Oper vor allem als Geschichte zweier
tragischer Frauenfiguren, die im Räderwerk männlicher Macht zermahlen
werden. Der Grund für diesen verdrehten Fokus sind die beiden
Protagonistinnen. Vor allem Anja Harteros. Auf der lyrischen und
dramatischen Strahlkraft ihres Soprans ruht dieser Abend im Großen
Festspielhaus. Ihre Elisabetta ist ein berührend edles Sinnbild dieser
männlichen Fatalität. Als französische Königstochter dem spanischen Infanten
Carlo versprochen und in Liebe entflammt, wird sie als Friedenspfand mit
dessen Vater Filippo vermählt. Und stellt fortan Pflicht über Liebe.
Herausragende Sänger Harteros beseelt diese Figur
darstellerisch, aber vor allem stimmlich. Die feinen und anmutigen Bögen,
die sie mühelos webt, unterfüttert sie mit fein lodernder Dramatik. Ihre
Gegenspielerin und zugleich Schicksalsgenossin Ekaterina Semenchuk ist eine
temperamentvolle und doch menschliche Prinzessin Eboli. Als Mätresse des
Königs, selbst in Carlo verliebt, wird sie zum tragischen Auslöser der
Katastrophe. Die stärkste Szene ist dann auch das Finale zwischen den beiden
Frauenfiguren.
Der Star der Produktion hieß freilich Jonas Kaufmann
in der Titelpartie. Er erfüllte die Erwartungen als souveräner, glutvoller
und zerbrechlicher Carlo. Und auch wenn er mit seinem dunkel gefärbten Tenor
einmal mehr alle unangenehmen Klischees seines Stimmfaches aussparte, der
Glanzpunkt des Abends war er als vielfach unglücklicher Königssohn nicht.
Die problematischste Sängerkombination ist die zwischen ihm und Thomas
Hampson als sein Freund Rodrigo. Hampson an sich ist nach wie vor ein guter,
wenn auch stimmlich nicht mehr ganz jugendlicher Rodrigo. Doch sein Bariton
und Kaufmanns Tenor sind im Zusammenklang zu ähnlich gefärbt, und auch die
darstellerische Chemie zwischen den beiden stimmt so gar nicht. Ihr großes
Freundschaftsduett, ein zentrales Motiv der Oper, will somit nicht zünden.
Das zeigt ein generelles Problem der Produktion auf: Herausragende Solisten
- wie auch Matti Salminen als imposanter und dabei zutiefst menschlicher
Filippo - sind noch kein homogenes Ensemble. Diese Einzelkämpfer zu einem
solchen zu schweißen gelang auch Antonio Pappano am Pult der Wiener
Philharmoniker nicht restlos. Er setzt auf großen Klang, großes Drama und
große Geste - das Orchester geht diesen Weg freudig mit. Zu viele Proben gab
es definitiv nicht. Auch nicht mit dem an sich wackeren Chor. Satter,
kantiger Breitwand-Klang mit klaren Konturen.
Klassisches
Cinemascope Auf klassisches Cinemascope setzte auch
Regie-Altmeister Peter Stein. Hier ist ein Bauer noch ein Bauer, ein Mönch
ein Mönch und Pinien sind und bleiben Pinien. Stein ist erfahrener
Regie-Handwerker, versteht es, Dramatik aufzubauen und in Szene zu setzten.
Viele seiner Bilder sind wie Gemälde gestellt. Die historischen Kostüme von
Annamaria Heinrich sind prachtvoll, die Bühne von Ferdinand Wögerbauer ist
klassisch reduziert. Mehr qualitätsvolle, zeitlose Standardumsetzung als
Neuinszenierung im eigentlichen Sinn. Inhaltlich und musikalisch stringent
ist die Fassung, die das Leading Team zusammengestellt hat. Zu hören ist die
französische fünfaktige Version, jedoch mit italienischem Text und ohne
Ballett.
Große Bühne und großes Drama, große Roben und große Gesten,
großer Klang und große Stimmen. Oper wie damals. Darf es auch geben. Aber
bitte nicht immer.
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