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Die Presse, 15.08.2013
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von Wilhelm Sinkovicz |
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Verdi: Don Carlo, Salzburger Festspiele, 13. August 2013 |
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Die Leiden des "Don Carlo", hautnah miterlebt
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Peter Stein inszenierte ein Seelendrama, in dem auch alle politische
Brisanz fühlbar wird. Maestro Antonio Pappano führte Philharmoniker,
Staatsopernchor und ein exzellentes Ensemble zum Triumph. |
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Das war nun, nach der musikalisch so bitteren Enttäuschung der
Wagner-Hommage mit den gar nicht meisterlichen „Meistersingern“, zumindest
für Verdi ein auch musikalischer Triumph: „Don Carlo“, inszeniert von Peter
Stein, dirigiert von Antonio Pappano geriet mit Jonas Kaufmann in der
Titelpartie zur würdigen Festspiel-Premiere. Im Fernsehen wird das heute,
Freitagabend, vermutlich wunderbar wirken. Denn Steins Regiearbeit entfaltet
sich vor allem in jenen Momenten vorbildlich, in denen sich, ob zärtliche
Begegnung oder brisanter politischer Disput, direkte Konfrontationen
zuspitzen.
Da die Massenszenen in dieser für Paris komponierten Grand
Opéra – der Tradition dieses Genres zum Trotz – für die Handlung nur eine
Nebenrolle spielen, fällt es nicht weiter ins Gewicht, dass Peter Stein, der
Schauspielkönner, mit Chorbewegung nicht viel anfangen kann. Er steht dazu.
Und lässt stehen. Im Autodafé-Bild postiert er die Sänger akustisch günstig
wie bei einem Oratorium: Der Staatsopernchor formt der Ketzerverbrennung
eine imposante Klangkulisse, die zu den kargen, doch imposanten
Bühnenbildern Ferdinand Wögerbauers passen, die etwa die Szene im
Königsgemach, in der es auch für die Seelen eng wird, auf minimalen Raum an
den rechten Rand der Riesenbühne zusammenpferchen.
Der
einsame Mann auf dem Königsthron
Das ist die beklemmende
Kulisse für die große Arie des Königs Philipp. Zwar ist Matti Salminen über
das Alter hinaus, in dem er mit seinem mächtigen Bass auch noch eine
Belcantonummer schmiegsam absolvieren könnte. Doch wie bewegend erzählt er
die Geschichte des einsamen Mannes auf dem Königsthron, mit welch
deklamatorischer und gestischer Kunst zeichnet er das Porträt des mächtigen
Herrschers, zerrieben zwischen der Macht der Kirche – in Gestalt des
ehrfurchtgebietenden Großinquisitors von Eric Halfvarson – und seiner
Sehnsucht nach menschlichen Kontakten.
Eindrucksvoll die
Auseinandersetzung mit dem Marquis Posa im zweiten Akt: Thomas Hampson, der
einen Abend lang gegen alle Anfechtungen glaubhaft und mit den herrlichsten
Belcantophrasen für Recht und Humanität wirbt, steht ratlos den geradezu
hilflosen Annäherungsversuchen des sonst Gott und der Welt gegenüber
abweisend ehernen Machtmenschen gegenüber. Stein verknüpft solch große
Momente zur unausweichlichen Tragödie. Über allem schwebt die Spukgestalt
Karls V. (Robert Lloyd), der seinem Sohn eine unlösbare Aufgabe vererbt hat
und zuletzt den Enkel – wie der Tod den Jedermann – aus dem Spiel nimmt, ihn
seinen Feinden entzieht, ohne dass deshalb auch nur ein Lichtstrahl am Ende
des Tunnels aus Bitternis und auswegloser Verstrickung im Ränkespiel der
Historie erschiene . Die Seelenqualen des Liebespaares, das keines
sein darf, entschlüsseln sich in dieser Aufführung nicht minder bedrückend:
Drei Duette singen Don Carlo und Elisabetta in der italienischsprachigen
fünfaktigen Version, die man diesmal gewählt hat. Geradezu
kindlich-verspielt begegnen einander die Königskinder im Park von
Fontainebleau, verzweifelt ringend, von verzehrend-unerfüllbarer Sehnsucht
getrieben im Garten vor dem Kloster St. Yuste, entsagend zuletzt vor dem
Standbild des alles beherrschenden Kaisers: Jonas Kaufmann, der zwischendrin
in seinem Aufbegehren für die flandrische Sache imposante, strahlende
Heldentöne findet, nimmt seinen Tenor hier ins äußerste Pianissimo zurück.
Anja Harteros hält mit: Der Sopran der jungen deutschen Primadonna ist zu
bewegenden Färbungen und expressiver Nuancierung fähig. Sie singt ungemein
kultiviert, deklamiert aber gleichzeitig ausdrucksstark. So wird der fünfte
Akt, der mit ihrer großen Entsagungsszene anhebt und mit besagtem Duett
endet, zum anrührenden emotionellen Höhepunkt der Aufführung.
Das beste Opernorchester der Welt
Deren Zusammenhalt
und Qualität sichern die Wiener Philharmoniker, die sich von Antonio Pappano
zu einer beredten, subtil an den Phrasierungskünsten der Sänger
orientierten, gleichzeitig nervös und punktgenau die Handlung
kommentierenden Leistung animieren lassen. Womit sie die Scharte der
verunglückten, unidiomatischen „Meistersinger“-Premiere auswetzen.
Da
spielt ja doch das beste Opernorchester der Welt, das hie und da selbst
überrascht vom Fortgang der Handlung zu sein scheint: Wie spontan reagieren
die Musiker auf das Intrigenspiel und dessen innere wie äußere Auswirkungen!
Jubel gibt es auch für die furiose, doch auch in den heikelsten Passagen
von Schleierlied und „Don fatale“ vokal bewundernswert kontrollierte Eboli
der Ekaterina Sementschuk. Gut sind Page Tebaldo (mit der ebenso quirligen
wie silberstimmigen Maria Celleng) und die kleineren Partien. Auch nach mehr
als fünf Stunden einer solch großen Opernproduktion schien das Publikum
nicht müde, nur sichtlich bewegt.
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