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Die Presse, 14. Februar 2012 |
WALTER WEIDRINGER |
Liederabend, Wien, Musikverein, 13. Februar 2012 |
Jonas Kaufmann: Französisch ist Trumpf
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Bei seinem ersten Musikvereinsliederabend hinterließ der Tenor-Tausendsassa mit Henri Duparc den besten Eindruck. Sein Auftritt in Graz am Mittwoch, ist beinahe ausverkauft. |
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Zuletzt prasselten Beifall und Bravorufe in der Dichte eines Wolkenbruchs
auf den Sänger und seinen Klavierpartner nieder, und es war keineswegs
übertrieben, für den ersten Liederabend von Jonas Kaufmann im Wiener
Musikverein nicht den genreüblichen Brahmssaal, sondern gleich den Goldenen
Saal zu reservieren: Der in aller Welt und in so vielen Stimmfächern
gefeierte Tenor-Tausendsassa aus München füllt die Hallen, auch sein
Auftritt in Graz heute, Mittwoch, ist beinah ausverkauft.
Das
Faszinierende an ihm ist wohl, dass eine Stimme, die von ihrer dunklen Farbe
her vor allem männliche Kraft verheißt, immer wieder auch höchst zarte,
subtile Phrasen formen kann. Und welcher Siegmund-Interpret ist sonst
imstande, Liederabende zu geben? Die skeptischen Musikfreunde, die mit
seinem Gesang wenig anfangen können, weil er bei aller Differenzierungskunst
oft kehlig und glanzlos tönt, waren jedenfalls in einer verschwindenden
Minderzahl, als Kaufmann sich mit Helmut Deutsch einem Programm widmete, in
dem das deutsche Lied des 19. und 20. Jahrhunderts im Zentrum stand. Dass
die erste Hälfte weniger einnehmend geriet, mag auch an der Tagesverfassung
gelegen haben.
„Drei Zigeuner“, „Um Mitternacht“
Schön,
dass Kaufmann bei Liszt neben Gretchens Ballade vom „König in Thule“ auch
Klärchens „Freudvoll und leidvoll“ nicht nur Sängerinnen überlassen will –
und das Lied prompt besonders vehement und dramatisch aufgefasst hat. Schade
aber, dass er die „Drei Zigeuner“ zwar mit dem passend freien, quasi
improvisierenden Gestus zeichnete, aber die Einzelteile nicht zum zwingenden
Ganzen formte. Die Kunde vom verschlafenen, verrauchten, vergeigten und
damit dreimal verachteten Leben war so bloße Anekdote, nicht existenzielle
Erfahrung des erzählenden Fuhrmanns. Hier hätte man sich auch von Deutsch,
der ein enorm versierter, sensibler, stets sachdienlicher Liedbegleiter ist,
mehr pianistische Pranke gewünscht. Und Mahlers Rückert-Lieder, bei denen
der dramatische Aplomb von „Um Mitternacht“ wirkungssicher ans Ende gestellt
war, hat man unlängst von einem Tenorkollegen im Konzerthaus inniger gehört.
Am freiesten, geschmeidigsten strömte die Stimme im französischen
Repertoire bei Henri Duparc: Dessen delikate Stimmungen bildeten den
musikalischen Höhepunkt des Abends. Danach noch Richard Strauss, auch in den
Zugaben, die sich die Fans mit fast flehentlicher Hingabe erjubelten. Als
selbst nach der „Zueignung“ die Begeisterung noch kein Ende nahm, schluchzte
Kaufmann „Dein ist mein ganzes Herz“ – und verwandelte den Musikverein am
Vorabend des Valentinstags in ein Land des Lächelns. |
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