|
|
|
|
Münchner Merkur, 17.3.2012 |
THOMAS WILLMANN |
|
Konzert, München, 15. März 2012 |
|
Der strahlende Held
|
Jonas Kaufmann und Andris Nelsons in der Münchner Philharmonie |
|
Vier Sonnenaufgänge an einem Abend - kein astronomisches Phänomen, sondern
eine kleine musikalische Sternstunde. Das ließen schon die ersten
Lichtreflexionen auf Debussys „La Mer" ahnen: Andris Nelsons' Dirigierstab
brachte die Oberfläche organisch zum Kräuseln, Schwappen - und das City of
Birmingham Symphony Orchestra setzte die Vorgaben perfekt um. Jede
Instrumentengruppe wie aus einem Guss; in die Gesamtmischung klar erkennbar,
aber nahtlos eingefügt. Ein Klang zum drin Versinken, ohne die Besinnung zu
verlieren. Schon weil unzählige Details wachrissen - wie das saubere
Flageolett der Ruhe vor dem Sturm.
Nach diesem Gleißen das finstere
„Nun will die Sonn' so hell, aufgehen" aus Mahlers „Kindertotenliedern": Die
Holzbläser (mit BR-Fagott-Verstärkung) schmiegten ihr Timbre eng an das von
Jonas Kaufmanns Tenor. Ensemble wie Solist hatten ergreifende
kammermusikalische Konzentration und Contenance, die Trauer und Verzweiflung
nur Millimeterspalten öffnete. Sie hielten das rechte Maß, um die Frage nach
der Wahrhaftigkeit des naiven Wanderlieder-Trosts, der jenseits-Utopie
offenzulassen. Schade, dass die Stille in der Philharmonie zerklatscht
wurde.
Dass die stimmliche Enge mancher Höhen hier nur psychologisch
war, bewies das gelöste, butterweiche „Und morgen wird die Sonne wieder
scheinen" der Strauss-Lieder-Auswahl danach. Bei der konnte Kaufmann
heldisch strahlen - dank Nelsons ohne jede theatralisch-plüschige
Übertreibung. Der Tagesanbruch in Ravels zweiter „Daphnis et Chloé"- Suite
wurde von einem fabelhaften Vogelkonzert, einem großartigen Flötensolo
empfangen. Und selbst der bacchanalische Kehraus bewahrte die Qualitäten:
Lichte Farben, Licht eines ordnenden Geistes. Helle Begeisterung! |
|
|
|
|
|