|
|
|
|
Der Standard, 24. Oktober 2012 |
Stefan Ender |
|
Schubert: Die schöne Müllerin, Wiener Staatsoper, 23. Oktober 2012 |
|
Liebe, Leid und Weiblichkeit
|
|
Jonas Kaufmann singt Schuberts "Die schöne Müllerin" |
|
Wenn gepflegte Weiblichkeit im Quenty-Forty-Lebensabschnitt en masse die
Staatsoper flutet, dann müssen da wohl höhere Mächte mit im Spiel sein.
Jonas Kaufmann zum Beispiel. Der 43-Jährige ist der aktuelle Kassenmagnet
und Coverboy der Opernwelt, der Tenor-Apoll-du-jour.
Seine adorierte
Physis zeigte sich bei seinem Liederabend etwas angeschlagen: Kaufmann
informierte das Publikum vorab über sein akutes Magen-Darm-Grippeleiden, er
fühle sich "etwas zittrig". Worauf ihm aus dem Stehplatzbereich eine
couragiert-hysterische Stimme entgegenschlug, die riet, er solle seine
Grippe einfach in den "geistigen Mülleimer" schmeißen. Und schon ging's los.
Kaufmann sang und wurde zu jenem Müllerburschen, dessen emotionale
Wanderungen von den Gefilden höchster Euphorie bis in jene abgrundtiefer
Verzweiflung Franz Schubert so berührend in Tonform gesetzt hat. Im ersten
Viertel dieser Tour ließ eine leichte Trockenheit der Stimme und ein dünn
klingendes Piano noch um die Durchhaltekraft des Deutschen bangen, doch dann
nahmen Wärme und Elastizität zu wie auch die Mischfähigkeit von Brust- und
Kopfstimme.
Berührende, intime Pianissimi waren Kaufmann so möglich,
doch natürlich führte der Opernstar sein Luxusorgan mit dem gedeckten,
kernigen Timbre auch in die Zonen dynamischer Attacke. Wie seine
Wortdeutlichkeit berückten auch Genauigkeit und Nuanciertheit des gesungenen
Gefühls, auch in den Strophenliedern. Am Klavier assistierte ausgewogen und
doch farbenreich Helmut Deutsch, der sich zu Beginn nicht einmal den Anflug
eines Pedalrausche(n)s erlaubte.
In der letzten Strophe des letzten
Liedes, bei des Baches schubertsanftem Trostlied für das Liebesopfer,
spannte Kaufmann noch einmal einen letzten, intensiven Bogen der Emotion.
Frenetischer Applaus, drei Zugaben.
|
|
|
|
|
|