Wiener Zeitung, 4.4.2012

Reinhard Kriechbaum

Mahler: Das Lied von der Erde, Salzburg, 3. April 2012

Abschied von Salzburg mit Orchestergesang

Konzert: Berliner Philharmoniker bei den Salzburger Osterfestspielen Sagen wir es so: Mahlers "Lied von der Erde", gesungen von den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle, vokal begleitet von Anne Sofie von Otter und Jonas Kaufmann. Dass das Orchester in die Rolle des Hauptdarstellers schlüpft in diesem Werk, das Mahler ja dezidiert als eine "Symphonie für eine Tenor und eine Alt- (oder Bariton-)Stimme" ausgewiesen hat - das ist schon recht so. Genau das ist auch die Herausforderung, denn in dem instrumentalen Gefüge, der tönenden Fin-de-siècle-Decadence, ist Stück um Stück die Position der Sänger neu zu definieren, ihre Gewichtung auszuloten. Das also war Punkt drei der diesjährigen Konzerte in Salzburg und für die Besucher des ersten Osterfestspiel-Zyklus mithin der eigentliche Abschied des Orchesters von diesem Festival. Für ihr drittes Konzert haben die Berliner nun wirklich alles gegeben: Da wurde gediegen und lustvoll koloriert, dabei im besten Sinn hinter- und abgründig abgestuft, in sorgsam gemischten Tönen und mit feinen Schattenwirkungen. Wo sind bei alledem die Sänger geblieben? Der Tenor hat es da ja noch vergleichsweise einfach, die beiden Trinklieder und das Genrebild der jungen Leuten im Pavillon sind vergleichsweise geradlinig. Das kommt Jonas Kaufmann, der gestalterisch gern auf Nummer sicher geht, entgegen. Im Gegensatz dazu wirkte Anne Sofie von Otter wie das personifizierte Unglück. Brüchig hat die Stimme gewirkt, unsicher im Ansatz, irgendwie voll neben dem Orchester. Leise Pointen für Beethovens Klavierkonzert Vor der Pause: Beethovens Zweites Klavierkonzert in der Lesart von Emanuel Ax, derzeit wohl einem der Feinsinnigsten seiner Zunft. So viel leise, aber pointiert eingesetzte, immer zielgerichtet eingesetzte Energie! So viel Sinn fürs Lyrische bei gleichzeitigem Sinn für die Kohlensäure-Tupfer im Mix: So klingt Musik bei allerbester Laune.