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DR Radio Kultur, 07.12.2012 |
Von Jörn Florian Fuchs |
(gleicher Autor wie BR Klassik) |
Wagner: Lohengrin, Teatro alla Scala, 7. Dezember 2012 |
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Im Atrium der Gefühle |
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Die Mailänder Scala eröffnet mit einem ambivalenten "Lohengrin" ihre neue Saison |
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Mit einer Mischung aus Psychologisierung und surrealem Alptraumambiente
bringt Claus Guth Wagners Ritteroper "Lohengrin" an der Scala zur
Aufführung. So unausgewogen die Regie, so durchwachsen gerät auch Daniel
Barenboims musikalische Deutung.
Schon wieder gibt es Herren im Frack
und edel gewandete Damen. Erneut tauchen Kinder auf und verdoppeln die
Hauptprotagonisten. Und schon wieder erlebt man die typisch Guth'sche
Mischung aus Psychologisierung und surrealem Alptraumambiente.
Diesmal hat Bühnenbildner Christian Schmidt ein Atrium gebaut, auf diversen
Galerien sind die Chormassen positioniert, in der Mitte steht mal ein Baum,
mal ein Schreibtisch mit darüber hängendem Lüster - bisweilen auch alles
zusammen. Später fließt dort reales Wasser, das unglückliche Paar Lohengrin
und Elsa von Brabant kauert an einem von Schilf umgebenen Steg. Immer wieder
läuft Gottfried durch die Szenerie, ihn hatte Elsa ja angeblich getötet, nun
irrt er als eine Art Widergänger umher. Elsa taucht noch mal als junges,
Klavier spielendes Mädchen auf, das von ihrer Lehrerin gequält wird. Die
schwarze Pädagogin erinnert verdächtig an Ortrud. Gelegentlich setzt sich
auch die ältere Elsa ans Piano ...
Irgendwie kennen sich in Claus
Guths Interpretation von Wagners Ritteroper alle schon länger und von
irgendwoher. Doch von woher genau? Das meiste bleibt rätselhaft, etwa eine
kurze Begräbnisszene im ersten Aufzug. Tragen die düsteren Herren dort
Gottfried im Sarg? Und als Gottfried zum Finale zurückkehrt, warum
schmachtet ihn Elsa mit den Worten "mein Gatte" an? Nur eines wird an diesem
Abend überaus deutlich: Sowohl Elsa wie Lohengrin sind in fragwürdiger
psychischer Verfassung. Beide zucken immer wieder, kratzen sich und leiden
wohl an seelischer Neurodermitis. Zueinander finden sie jedenfalls nicht.
So unausgewogen die Regie, so durchwachsen auch Daniel Barenboims
musikalische Deutung. Wieder einmal konzentriert sich Barenboim ganz auf die
schönen Stellen der Partitur. Eindrücklich kracht das Vorspiel zum dritten
Aufzug, prächtig der recht präzise wummernde Bläserhochglanz. Doch es fehlt
an Binnenspannung, außerdem gerät das Orchester der Scala oft technisch an
die Grenze. Bei den Chören muss man wirklich von einem Totalausfall
sprechen, kaum ein Wort ist zu verstehen, das meiste dröhnt übersteuert und
grob in den Raum.
Auch mit der kurzfristig für Anja Harteros
eingesprungenen Annette Dasch wird man nicht recht glücklich. Schwammige
Intonation, wacklige Phrasierung sind die Stichworte. Immerhin ist Dasch
eine gute Sängerdarstellerin. Jonas Kaufmann braucht seine übliche
Vorglühzeit, bevor er gaumig Gequetschtes endlich in strahlenden Schönklang
verwandeln kann - exemplarisch in der Gralserzählung.
Recht
überzeugend waren die übrigen Partien besetzt, vor allem René Papes König
Heinrich und Tómas Tómassons Telramund. Evelyn Herlitzius verfiel als Ortrud
zwar immer wieder ins Brüllen, doch gelangen ihr auch zarte, berührende
Momente. Das Premierenpublikum reagierte mit freundlichem Applaus für die
Musiker und spürbarer Reserviertheit für die Regie. |
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