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Die Presse, 02.02.2012 |
WALTER WEIDRINGER |
Gounod: Faust, Wiener Staatsoper, 1. Februar 2012
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Staatsoper: Das Kreuz (nicht nur) mit dem Teufel
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Startenor Jonas Kaufmann erstmals in Gounods „Faust“: ein nicht durchgehend spannender, ungleichmäßig besetzter Abend.
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Va!...tu me fais horreur!“, schleudert Marguerite ihrem Verführer entgegen,
bevor sie, nach Goethes Willen nicht gerichtet, sondern gerettet, zu den
orgelbrausenden, harfenrauschenden C-Dur-Klängen des Finales der Erlösung
entgegen schreiten darf. Doch aus vollem Herzen hätte ihr an dieser Stelle
wohl kaum jemand im Publikum recht gegeben: Vor einem Faust in Gestalt von
Jonas Kaufmann graut's wahrlich nur wenigen.
Dass einer himmlischen
Apotheose zwangsläufig Irdisches vorangehen muss, hat die Aufführung mit
etlichen Wiener Rollendebüts dennoch bewiesen – und das trotz des in allen
Fächern reüssierenden, vielseitigen Tenorstars aus München, der an der
Staatsoper in dieser Spielzeit nur in der Titelpartie von „Faust“ zu erleben
ist. Das letzte Bild mit dem sich so ekstatisch und buchstäblich erhebend
durch die Tonarten empor schraubenden Kerkerterzett, es schien diesmal
reichlich spät auf dem Programm zu stehen – und das, obwohl die
Walpurgisnacht mittlerweile ganz gestrichen ist. Der Dirigent war nicht
dafür verantwortlich, dass der Abend deutlich länger wirkte als
wünschenswert: Alain Altinoglu ging mit großem Elan zu Werke, konnte Chor
wie Orchester zu Klangschönheit und Verve animieren. Mag auch nicht jedes
Detail optimal geglückt sein und manches Tempo überzogen gewirkt haben, war
doch stets spürbar, wie differenziert und sängerfreundlich der junge
Franzose die Partitur umsetzt: Die Folgevorstellungen werden es hoffentlich
noch deutlicher zeigen.
Nein, es lag an der Besetzung, dass sich der
Abend zog – etwa an Albert Dohmen als neuem Méphistophélès. Der verströmt
äußerlich nonchalante Gemütlichkeit und lässt sängerisch eher an einen
Höllenknecht als an deren Fürst denken: Seinen robusten, aber stumpfen Tönen
fehlt jede Eleganz, mit der dieser Teufel sein sonor verlockendes Blendwerk
betreiben müsste. Doch auch Kaufmann und seine Marguerite Inva Mula konnten
nicht vergessen machen, wie packend vor nicht allzu langer Zeit Soile
Isokoski und Piotr Beczala agiert hatten.
Sicheres hohes C mit
kleinem Kratzer
Betörend und vorbildlich, wie viele Phrasen Kaufmann
in zartem Piano absolvierte – und schade, wie oft sein baritonaler Klang
glanzlos wurde oder sich ganz zu verlieren schien: Trotz viriler
Durchschlagskraft an den dramatischen Stellen und einem sicheren hohen C
(mit kleinem Kratzer) blieb da eine leise Enttäuschung zurück. Auch Mulas
Stärke liegt eher in sanft strömenden Kantilenen – doch auch bei ihr
stellten sich Gefühlsintensität und innere Spannung selbst bei
differenziertem Gesang nicht von selbst ein: Bei diesem Paar schien die
Bühnenchemie nicht recht zu stimmen.
Adrian Eröd zeichnete den braven
Soldaten Valentin mit der sängerischen Disziplin eines gestandenen
Liedsängers, mit schlankem, trotz leicht rauen Beiklangs noblem Bariton.
Juliette Mars (Siébel) und Hans Peter Kammerer (Wagner) klangen angestrengt,
Monika Bohinec (Marthe) klar und satt – ein ungleichmäßig besetzter Abend in
bestenfalls rudimentär zu nennender Regie.
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