Kulturvollzug, 25.01.2012
Sarah Hilgendorff
Verdi: Don Carlo, Bayerische Staatsoper, 22. Januar 2012
Spanischer Feuerapplaus für Jonas Kaufmann und Anja Harteros
 
Dass sich das Publikum in solch einen Beifallsrausch klatscht, erlebt man selten. Nikolaus Bachler hat für Verdis Don Carlo die Asse Jonas Kaufmann, Anja Harteros und René Pape aus dem Ärmel geschüttelt – drei Sänger, die auf dem Zenit ihres Erfolges sind.
 
Mit Kaufmann und Harteros stehen vertraute Partner auf der Bühne. Ihre Stimmen passen mit ihrer Wärme und Gedecktheit ideal zueinander. Jonas Kaufmann geht gewohnt stürmisch an die Titelfigur heran: Er sinkt ein ums andere Mal auf den Boden, rutscht auf den Kien und streckt die Hände flehend gegen den schicksalsträchtigen Himmel. Was bei ihm gern als „Knödeln“ bezeichnet wird, klingt mittlerweile kultivierter und wirkt dennoch attraktiv. In Ensembles fängt er einen Wimpernschlag zu früh an, sodass er sich zum Alphamännchen der Vorstellung mausert. Das passt nicht wirklich zum verträumten Don Carlo, beeindruckt aber trotzdem.

Anja Harteros hingegen setzt eher auf subtiles Schauspiel. Schon das erste Bild zeigt sie als eine illusionäre Erscheinung, die mit dieser Würde in der Haltung niemand anders als eine Königin sein kann. Ihre Elisabetta ist eine sensibel zurückhaltende Frau, die an den Machtspielen am spanischen Hof zugrunde geht. „Tu che la vanità“ singt sie so innig, dass man bei Hysterie-Ausbrüchen („Giustizia!“) kaum die Größe ihrer Stimme glauben kann. Derzeit findet man nur schwerlich eine andere Sängerin, die die beseelten Aristokratinnen à la Marschallin oder Gräfin Almaviva so wunderschön traurig auf die Bühne bringt. Das Publikum lohnt es mit stehenden Ovationen.

Den beiden Münchner Stammgästen steht René Pape in nichts nach. Sein Bass ist von majestätischer Durchschlagskraft und gibt dem mordenden König Philipp II. furchteinflößende Macht. Mit natürlicher Autorität bewegt er sich auf der Bühne und lässt mit einem strafenden Blick aus dem Augenwinkel erstarren. Dennoch zeigt er sich in „Ella giammai m’amo“ von einer menschlichen Seite, wenn er verletzt über seine nicht erwiderte Liebe klagt. Mit Eric Halfvarson als Großinquisitor liefert er sich ein Duell der Bässe, das seinesgleichen sucht.

Die beiden Drahtzieher Marchese di Posa und Prinzessin Eboli halten mit. Boaz Daniel ist für Mariusz Kwiecien mit einem soliden Bariton eingesprungen. Anna Smirnova singt ihr mäßig dramatisches „O don fatale“ mit korrekt getrennten Koloraturen, wenn auch mit Tendenz zu unsauberer Intonation.

Das Bayerische Staatsorchester unter Asher Fisch liefert zuverlässig spanisches Feuer als auch höfische Leichtigkeit. Der Israeli geht gut auf die Sänger ein und hat auch in Ensembles keine Schwierigkeiten, Sänger und Orchester zusammenzuhalten. Die Musiker halten die vierstündige Aufführung mit Bravour durch, obwohl so manche Schwierigkeit in der Partitur zu bewältigen ist.

Jürgen Roses Inszenierung ist mittlerweile ein Klassiker. Bei ihm ist der erste Akt eine Reminiszenz Carlos‘ an sein erstes Treffen mit Elisabetta. Die Bühne dominiert ein monströser, fluchtpunktartiger Kasten, in den man die zahlreichen Innenräume hineinprojizieren kann. Vor dem Autodafé, wo der Kasten verschwindet, gab es offenbar ein technisches Problem, das dann aber entgegen der Ankündigung recht schnell behoben wurde.

Die Vorstellung wurde übrigens mit einem Live-Stream ins Internet übertragen. Der weltmännische Nikolaus Bachler hält so auch kommunikationstechnisch Schritt mit anderen Institutionen wie den Berliner Philharmonikern, die ähnliche Experimente vorantreiben. Aktuell bestätigen sich Befürchtungen, dass Multimedia-Technik den Publikumszuspruch verringern könnte, nicht. Die Bayerische Staatsoper war rappelvoll, die beiden weiteren Vorstellungen von Don Carlo sind restlos ausverkauft. Auch auf Dauer dürfte sich das 3-D Ereignis nicht virtuell nachfühlen lassen. Sternstunden wie diese will man dann doch am eigenen Körper erfahren.






 
 
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