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Der Neue Merker, 16.1.2012 |
Dr. Georg Freund |
Verdi: Don Carlo, Bayerische Staatsoper, 15. Januar 2012
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Bayerische Staatsoper/München: DON CARLO mit Harteros, Kaufmann und Pape am 15.1.2012
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Die Inszenierung des konservativen Regisseurs Jürgen Rose ist mehr als 10
Jahre alt, und steht der Musik und dem Libretto noch nicht antagonistisch
gegenüber. Aktionsort ist ein grauer sich nach hinten verengender Raum, in
dem ein riesiges Kruzifix steht. Die Akustik dieses Raumes ist durch seine
Abdeckung gegen den Schürboden vortrefflich, das Bühnenbild wirkt fast wie
ein die Stimmen verstärkender Schalltrichter. Nur für das überinszenierte
Autodafé wird der Bühnenraum erweitert und da klingen die Stimmen der
Protagonisten gleich nicht mehr so groß Durch die Einheitsdekoration, in der
auch der Fontainebleau- Akt spielt, wirkt auch diese Fassung kaum weniger
geschlossen als die übliche vieraktige Version. Sehr gefällig sind die
historisierenden, zum Teil auch zeitlosen Kostüme. Auf die Ketzerverbrennung
coram publico hätte ich freilich gerne verzichtet. Andeutungen, die der
Phantasie des Publikums Raum lassen, wie etwa Feuerschein im Hintergrund,
leisten da viel mehr. Auch die Prozession mit als Mater dolorosa, als
Christus am Kreuz und als Pietà verkleideten Statisten hätte man sich und
den Zuschauern besser erspart.
Grandios an diesem Abend waren vor
allem Jonas Kaufmann als Carlo und Anja Harteros als Elisabeth. Diese beiden
Menschen hat die Natur wahrhaft verschwenderisch ausgestattet: Herrliche,
unverkennbar timbrierte Stimmen, größte Vielseitigkeit mit einem
Rollenspektrum von Mozart bis zu Wagner, blendendes Aussehen, Charisma und
darstellerische Fähigkeiten, die man kaum bei gefeierten Darstellern des
Sprechtheaters findet…
Kaufmanns Rolle ist wesentlich länger und
schwieriger als in der üblichen Version der Oper. Seine Romanze Io l´ ho
perduta ist höher gesetzt und hat als Spitzenton nicht ein hohes B, sondern
ein hohes H. Nach einer kurzen Einsingphase bewältigte Kaufmann die großen
Anforderungen der Partie bravourös. Bei der Darstellung des unglücklichen
Infanten betonte er die pathologischen Züge des historischen Don Carlos: Er
mimte in der zweiten Szene mit Elisabeth und in der Gartenszene mit der
Eboli epileptische Anfälle, und klammerte sich immer wieder wie ein Kind an
Posa, Elisabeth und sogar an die Eboli. Er wirkte stets wahrhaftig und
zutiefst ergreifend, aber keineswegs lächerlich wie sogar der große Franco
Corelli, als er sich in Otto Schenks Inszenierung als Epileptiker versuchte
und dafür nur gutmütiges Lächeln des Publikums erntete. Permanente
Verzweiflung kann einförmig wirken, doch Anja Harteros gelang es, ihre Rolle
als stets duldender Engel mit Leben zu erfüllen und sie schenkte den
Zuhörern, vor allem im letzten Bild, die wunderbarsten ätherischen Piani,
die man sich nur vorstellen kann. Die beiden Sänger haben schon in Lohengrin
wunderbar mit einander harmoniert und sie boten auch diesmal Musiktheater in
Vollendung.
René Pape als Philipp konnte da nicht ganz mithalten. Er
besitzt wohl die schönste Bassstimme der Gegenwart, ist aber leider nicht
frei von eigenwilligen Manierismen, verfügt auch nur über limitiertes Können
als Darsteller und hat nicht allzu viel Bühnenpräsenz aufzuweisen. Er
erreichte in dieser bedeutendsten Bassrolle der italienischen Oper nicht das
Niveau eines Ghiaurov, Siepi oder Raimondi, hat aber heute dennoch keine
Konkurrenz zu fürchten. Die Prinzessin Eboli wurde von der junonischen Anna
Smirnova mit sehr großer, aber beweglicher Stimme eindrucksvoll gesungen Als
Darstellerin verströmte sie das von vielen russischen Sängern bekannte große
Hoftheaterpathos, das offenbar heute noch immer an russischen Konservatorien
gelehrt wird, obwohl die große Revolution bereits im Jahre 1917 stattfand..
Als der „sonderbare Schwärmer“ Posa war statt des erkrankte Mariusz Kwieczin
der aus Wien wohlbekannte Boaz Daniel eingesetzt. Seine Stimme ist angenehm,
wenn auch nicht allzu groß und er stieß in der Gartenszene und in seiner
Todesarie in die Grenzen seiner Möglichkeiten. Dem Regisseur ist zu seiner
Figur leider kaum etwas anderes eingefallen als ihm eine Brille aufzusetzen-
wohl um ihn als den Intellektuellen des Stückes zu kennzeichnen. Ebenso
furchterregend wie als Hunding und Hagen war Eric Halfvarson als
Großinquisitor. Steven Humes brachte Transzendenz in die Immanenz und sang
einen wunderbaren, vollstimmigen Karl V, wie man sich ihn besser nicht
vorstellen kann. In der letzten Szene durfte er- ganz librettogetreu mit
Krone und kaiserlichem Mantel angetan- seinen Enkel Carlo in die Tiefe
ziehen. Gerade bei diesem von Schiller leider abweichenden Auftritt wird von
Regisseuren immer viel herumexperimentiert und ich habe schon die
verschiedensten Versionen gesehen. Nett Laura Tatulescu als Page Tebaldo,
nur Evgeniya Sotnikova als Engelsstimme klang leider ganz und gar nicht
himmlisch.
Jubel, Bravogeschrei und Getrampel vor allem für Kaufmann
und die Harteros, viel Beifall für die übrigen Mitwirkenden, auch für den in
Wien bei manchen Kritikern nicht sehr beliebten Dirigenten Asher Fisch, der
diesmal seine Sache im Großen und Ganzen gut machte. Über kleinere
Koordinationsprobleme mit Bühne und Orchester und bisweilen zu große
Lautstärke konnte man hinwegsehen.
Für Wien plant Direktor Meyer eine
Première der vieraktigen italienischen Mailänder Fassung von Don Carlo
ausgerechnet mit Ramon Vargas in der Titelrolle. Vargas war in der
französischen Version als Infant überfordert, hat nicht die von der Rolle
geforderte Spinto-Stimme und ist als Darsteller kaum überzeugender als Johan
Botha…Vielleicht kann man noch umdisponieren !
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