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Opernglas, Mai 2012 |
M. Fiedler |
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Bizét: Carmen, Salzburger Osterfestspiele, 31. März 2012 |
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Carmen, Salzburg
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Im Jahre 1967 hatte Herbert von Karajan die Osterfestspiele in Salzburg
gegründet. Für die Exklusivität des privat finanzierten Prestige-Festivals
standen die Berliner Philharmoniker. Nur hier, in Karajans Heimatstadt,
saßen sie im Orchestergraben, der Maestro selbst konnte sich als
Gesamtkunstwerker profilieren: Intendant, Dirigent, Regisseur. Und auf der
Bühne gab sich die Creme de la creme der Solisten aus Oper und
Konzertbetrieb jedes Jahr in der Vorosterwoche ein Stelldichein: Freni und
Pavarotti in »La Boheme«, Peter Hofmann als Parsifal, Rene Kollo als
Lohengrin und viele mehr. Der Maestro vermarktete das wohl teuerste Festival
der Welt mit Bravour, musste zwar regelmäßig Eigenmittel in die Kassen
hineinpumpen, aber das gaben Erlöse aus den Plattenverkäufen um ein
Zigfaches zurück.
Weniger erfolgreich gaben sich in dieser Hinsicht
seine Nachfolger Claudio Abbado und Simon Rattle. In den letzten Jahren
erhielt das Image der Festspiele Kratzer um Kratzer. Die Berliner spielten
Wagners »Ring« beispielsweise nicht mehr exklusiv an der Salzach, sondern
auch beim Festival in Aix-en-Provence. Sponsorengelder gingen zurück. Auch
die von Stadt und Land Salzburg versprochenen finanziellen Mittel sollten
letztendlich nicht mehr ausreichen, um die Berliner Philharmoniker in
Salzburg zu halten. Ab 2013 werden sie zu Ostern in Baden-Baden Oper und
Konzerte spielen. Die Mozartstadt unterzeichnete daraufhin einen Vertrag mit
Christian Thielemann und der Dresdner Staatskapelle, die nun im nächsten
Jahr mit Wagners »Parsifal« ihr österliches Salzburg-Debüt geben werden.
Mit Bizets »Carmen« verabschiedeten sich jetzt Simon Rattle und die
Berliner aus Salzburg. 1985 hatte das Werk hier zum letzten Mal an Ostern
auf dem Programm gestanden, mit Agnes Baltsa, Jose Carreras und Jose Van
Dam, natürlich in einer Inszenierung Karajans. Schwer mit genauen Zahlen zu
belegen, aber mehr als plausibel gilt das Werk als eine der weltweit
meistgespielten Opern. Bei diesem seit nunmehr 136 Jahren anhaltenden Hype
ist es nicht einfach, das Stück mit unvoreingenommener Frische zu
musizieren. Komplett gelungen ist das auch den Berlinern bei diesen
Osterfestspielen nicht. Dennoch muss man ihnen hoch anrechnen, dass es
gelang, die Musik Bizets mit einer derart souveränen Gelassenheit zu
interpretierten, dass man als Zuhörer immer noch neue Facetten dieser
altbekannten Partitur entdecken konnte. Rasant und feurig stürzten sich die
Musiker ins Orchestervorspiel. Rattle wusste die Stärken der Musiker gezielt
und effektvoll einzusetzen, Kanten und Konturen des Klangbildes mit
geballter Präzision und energiegeladener Vitalität zu schärfen. Präsent,
aber ohne dominant zu werden, profilierte sich das Blech, klangmalerisch das
Holz. Der Dirigent dosierte Klarinetten und Oboe, die Trompeten, die
Streicher so, dass sich ein differenziertes, kammermusikalisches, und doch
unerhört dichtes Klangbild ergab, das die Sänger zu keiner Zeit überdeckte.
Hinreißend schön die Hörner in Micaelas Arie! Diese »Carmen« lebte von
vielen Einzelleistungen. Der rote Faden aus Emotion, Leidenschaft und
Fatalität aber blieb mitunter auf der Strecke.
Dass Magdalena Kozena
keine konventionelle Carmen sein würde, war zu erwarten, und genau das wird
in der Inszenierung noch betont. Carmen ist rothaarig, katzig, ein
Wirbelwind, dem es dennoch nicht an Ausstrahlung und Sinnlichkeit fehlt.
Stimmlich verfügt sie über ein Timbre, das gerade an jenen Stellen
überzeugt, in denen Biegsamkeit und Flexibilität gefordert sind. Die
Habanera etwa sang sie mit Kern und Charisma, ließ ihr leicht nervöses
Timbre knistern. Im zweiten Akt und auch im Finale spielte sie bewusst mit
den Schattierungen ihrer Stimme, setzte ihr Organ kalkuliert ein, um ein
Höchstmaß an Leidenschaft zu erzielen. Ihr Mezzo besitzt nicht das Volumen,
das er eigentlich im Großen Festspielhaus haben müsste. An ihre Grenzen
stieß Magdalena Kozena dort, wo Tiefe und Schwärze, Fatalität und Tragik
gefordert sind, am offensichtlichsten beim Kartenlegen im „Carreau,
Pique,..." des dritten Aktes.
Einen idealen Vertreter des Don
José hat man in Jonas Kaufmann. Hinreißend gestaltete er die Partie des
naiven, vom Schicksal gezeichneten Soldaten, der alles verliert, was ihm
hoch und heilig ist, um am Ende die Frau, die er nicht bekommen kann,
wutentbrannt und feige von hinten zu erdolchen. Sein Tenor besitzt tenoralen
Glanz und baritonale Wärme, Geschmeidigkeit und Eleganz. Subtil und mit
feinfühligen Nuancen durchzogen gestaltete er das Duett mit Micaela, die in
Genia Kühmeier und deren zartem, lyrisch und filigranem Sopran eine wahrhaft
kongeniale Partnerin war. Brillant und ausdrucksstark waren auch
Andre Schuen als Morales und Christian Van Horn als Zuniga sowie Christina
Landshamer und Rachel Frenkel als Frasquita und Mercedes. Simone Del Savio
war ein charaktervoller Dancairo, Jean-Paul Fouchecourt ein souveräner
Remendado. Bei diesem fabelhaften und homogen miteinander harmonierenden
Ensemble fiel lediglich der hölzerne Kostas Smoriginas als Escamillo ohne
Kraft und Tiefe ab.
Schade, dass in dieser im konventionellen, aber
nicht verstaubt wirkenden Spanien-Kolorit des Bühnenbilds von Miriam Buether
spielenden Inszenierung den Protagonisten, allen voran der Carmen, nur allzu
selten unter die Arme gegriffen wurde. Man hätte sich in Sachen
Personenführung mehr von der Regisseurin und Choreographin Aletta Collins
erwartet als bloße Standardbewegungen und Rampentheater, zumindest doch
bitte in den Schlüsselszenen! In ihrem Element ist Collins, wenn Chor und
Statisten auf der Bühne sind. Dann veranstaltet sie ein szenisch
kurzweiliges Feuerwerk, charakterisiert die Fabrikarbeiterinnen im
30er-Jahre-Look und die Soldaten im Paketannahmedienst, stilisiert die
Stierkämpfer mit skurrilen Masken und lässt schwarz gekleidete
FlamencoTänzerinnen wie unheilvolle Todesengel auftreten. Auf das
eigentliche Drama mit zumindest ein wenig Tiefgang musste man leider
vergeblich warten. Zustimmung gab es am Ende allerdings für alle
Beteiligten, wahre Ovationen für Genia Kühmeier und Jonas Kaufmann.
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