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BR Klassik, 15. August 2012 |
Ein Beitrag von: Heuerding, Elgin |
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Bizét: Carmen, Salzburger Festspiele, 14. August 2012 |
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"Carmen" mit den Wiener Philharmonikern
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Premiere von "Carmen" Mit den Wiener Philharmonikern
In einer
Koproduktion mit den Salzburger Osterfestspielen kam Bizets "Carmen" mit
Magdalena Kožená als Carmen und Jonas Kaufmann in der Rolle des Don José
bereits im April auf die Bühne des Salzburger Festspielhauses. Simnon Rattle
dirigierte dort die Berliner Philharmoniker. Bei den Festspielen steht er am
Pult der Wiener Philharmoniker.
Carmen bedeutet Leidenschaft, Feuer,
Erotik. Es muss prickeln! Denn man muss verstehen können, dass Don José
seine über alles geliebte Carmen am Ende mit dem Messer ersticht: weil sie
ihn nicht mehr liebt und fallen lässt. Ob man das, was Carmen und ihren
desertierten Soldaten verbindet, nun Schicksal nennt oder sie eine
männermordende Femme fatale - hitzige Leidenschaften und Emotionen gehören
unbedingt in diese Oper. Doch genau daran mangelt es: In dieser Salzburger
Carmen-Produktion knistert und prickelt es nicht!
Temperamentarme
Carmen
Das fängt mit der Carmen an. Magdalena Kožená singt sie.
Natürlich kann die Mezzosopranistin die Partie schlank, formschön und
beweglich gestalten. An manchen Stellen fehlt ihr stimmliche Kraft - doch
das ist nicht entscheidend. Auch darstellerisch kann sie viel: königlich
gelangweilt sein, divenhaft zickig, barfuß naturkindlich herumtollen, sie
kann unwillig posieren, reizend schmollen. Nur: eine Carmen ist die Kožená
nicht. Das Bedrohliche, Überwältigende geht ihr ab, das Unberechenbare,
Selbstverständliche. Ihre Verführungskünste wirken wie einstudiert - und
verfehlen die Wirkung. Da kann sie noch so fein singen. Carmen-Hitze kommt
da keine auf. Was das Publikum am Ende des Abends mit Buhs quittiert.
Salzburger Inszenierung
Nun ist Personenzeichnung immer auch eine
Frage der Regie. Und Regisseurin Aletta Collins hat sich darauf verlegt, die
Lebendigkeit der Oper im Tanz zu konzentrieren. So mischen junge Frauen, die
ihre luftigen Röcke mutwillig hoch schwingen, das Geschehen auf. Rauschen
immer wieder über den Steg, der noch zwischen Publikum und Orchestergraben
der Bühne vorgelagert ist. Doch so sehr die Röcke auch fliegen, Bein und
mehr freigeben - desto schmerzlicher wird die Statik der Chöre bewusst: Von
Leben keine Spur! Dass die Handlung im Bordell, dann in der Kanalisation
spielt, später die Begleiter des Torrero mit übergroßen Köpfen einher
spazieren, erklärt nichts und ist bunt, aber beliebig.
Musikalische
Umsetzung
Glücklicherweise spielt sich ein Jonas Kaufmann als
Don José von den Begrenzungen frei, sucht seinen eigenen Ausdruck. Bietet
Schluchzer und Schmelz. Seine baritonal gefärbte Stimmführung beschert
Momente des Schauderns, auch wenn sie zugleich Geschmackssache ist.
Dirigent Sir Simon Rattle am Pult der Wiener Philharmoniker zügelt diese
nach krachigen Ausbrüchen immer wieder ins Leise-Leise runter. "Carmen"
gehört nicht zu den Werken, die er zwingend machen sollte! Denn sein
Pianissimo bringt oft keine Spannung, es fehlen die Aufschwünge, die
Steigerungen. Für den angegriffenen Kostas Smoriginas als Escamillo sprang
nach der Pause Massimo Cavalletti ein - und konterkarierte das Konzept des
Leisen saftig singend!
Offensichtlich wurde dadurch noch einmal, dass
Rattles Dirigat kaum Sinnlichkeit hatte. Erstaunlicherweise nur bei den
Auftritten der Micaela, der unschuldigen, reinen Liebenden. Und Genia
Kühmeier mit ihrem kristallenen Sopran, mit unbedingtem Ausdruck und der
natürlichen Art, mit der sie sich bewegt, nimmt sofort gefangen. Dass sich
ein Mann für Carmen interessiert und nicht für die fühlende, menschliche
Micaela ist nach dieser Produktion unverständlich!
Audiokritik, Link
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