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Die Presse, 15.8.2012 |
WALTER WEIDRINGER |
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Bizét: Carmen, Salzburger Festspiele, 14. August 2012 |
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„Carmen“, ohne Rauch und Feuer
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Salzburger Festspiele. Applaus, gemischt mit Buhrufen: Die Osterfestspiel-Übernahme von Bizets „Carmen“ bleibt auch im Sommer ohne Fortune. |
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Cerrado – Geschlossen“. Seelenruhig hält der Kartenverkäufer vor dem mit
Stierkampfplakaten übersäten Zwischenvorhang die heilige Zigarettenpause,
auch wenn sich die Statisterie, nun endlich spanisch herausgeputzt (Kostüme:
Gabrielle Dalton), während des Entr'actes vor dem letzten Bild über die
ganze Bühnenbreite anstellen und warten muss. Ein bisschen galt das den
ganzen Abend über auch für das Publikum im Großen Festspielhaus, sollte es
sich eine mitreißende Neudeutung der viel geliebten, viel gespielten und
dabei so enorm schwer zu fassenden „Carmen“ erhofft haben. Doch während das
Volk von Sevilla dann seine Fete mit Konfettiregen bekommt, auf welcher der
Chor in dieser tanzbetonten Inszenierung „Dansez, dansez!“ singt, statt wie
üblich Fächer und Orangen feilzubieten, gehen die Besucher bei dieser
letzten Übernahme von den „alten“, von Sir Simon Rattle und den Berliner
Philharmonikern bestrittenen Osterfestspielen seltsam leer aus.
Nach
den Berlinern sitzen nun deren Kollegen aus Wien im Graben. Das führt
immerhin zu einigen leichten klanglichen Entzerrungen in der von Rattle
ursprünglich angestrebten Lesart, die etwas hart und unorganisch zwischen in
aller Ausführlichkeit dargelegten impressionistischen Pianissimo-Valeurs und
knalligem Schlagzeugdrive unter Tempo-Überdruck gewechselt hatte. Dort etwas
flüssiger, hier etwas weniger forsch tönt diese „Carmen“ nun – einige
verwunderliche Ausrutscher inbegriffen. Die hatte es an anderen Stellen auch
bei den Berlinern gegeben, schienen aber eher in der Hitze des Gefechts
entstanden denn aus teils halbherzig anmutender Pflichterfüllung, wie sie
nun zu erleben war: Im Staatsopernrepertoire klang das etwa vor einem halben
Jahr merklich kerniger und pointierter.
Vielsagende Blicke reichen
nicht
Diesmal plätschern wesentliche Nummern beinah unbemerkt vorüber
– z.B. die Kartenszene. Magdalena Koženás Probleme sind die gleichen
geblieben: Stimmlich fehlt es ihrem an sich aparten, homogenen Mezzosopran
an den nötigen dunklen Farben, teilweise auch schlicht an Fülle, um sich an
den entscheidenden Stellen mühelos durchsetzen zu können. Szenisch konnte
sie sich mit Regisseurin Aletta Collins offenbar nicht entscheiden, ob
Carmen ein glutvoll-sinnliches Naturwesen wäre oder eine stolze,
selbstbewusst unabhängige Frau zu Zeiten des Franco-Regimes, wohin die
Handlung plausibel verlegt wurde: Die offenbar beabsichtigte Mischung aus
beidem funktioniert nach wie vor nicht – trotz Augenrollen, vielsagend
gemeinten Blicken zwischen Trotz und Furcht, hin und her geworfenem Rock,
kreisenden Hüften und gespreizten Beinen.
Eine wichtige
Entscheidung scheint jedenfalls Jonas Kaufmann für sich allein getroffen zu
haben: „Opéra comique“ mit gesprochenen Dialogen hin oder her, er singt als
Don José eindeutig große Oper. Anfangs langweilt diesen Offizier der Dienst
– und dann wählt er gleichsam von zwei willkommenen weiblichen Abwechslungen
die falsche, die ihn ins Verderben zieht. Dynamisch weiß er reich zu
differenzieren, spannt teils betörend weite Phrasen im Duett mit Micaëla –
tendiert mit seiner dunklen Stimme aber stets zu etwas pauschal
schluchzendem, allerdings wirkungsvollem Pathos. Am Höhepunkt der Blumenarie
entschied sich Kaufmann diesmal nicht für einen Messa-di-voce-Effekt,
sondern sang das hohe B in konstantem, freilich etwas fahl-kehligem
Pianissimo: Die Fans lieben ihn selbst dafür. Solche hat auch Genia
Kühmeier in großer Zahl, und sie jubelten ihrer mit keuscher Klarheit
gesungenen Micaëla wieder ausgiebig zu. Könnte sie in der Höhe statt einem
Hauch von Härte sinnliches Glitzern entfalten, wäre ihre Leistung
unvergesslich.
An solches Niveau anzuschließen wäre dem Escamillo
auch unter günstigeren Umständen nicht gelungen, als ihm diesmal beschieden
waren. Hatte man den unerschrockenen Kostas Smoriginas schon zu Ostern in
dieser zugegeben extrem schwierig zu besetzenden Partie eher achselzuckend
hingenommen, blieb ihm nun schon im Auftrittslied die Stimme weg, worauf er
sich eine Oktave tiefer ins Markieren retten musste. Ein „plötzlicher
Allergieanfall“, erklärte Alexander Pereira nach der Pause: Smoriginas
spielte weiter, der Salzburger Marcello Massimo Cavalletti sang die
Vorstellung von der Seite aus solide zu Ende. Unfreiwillige Aufregung an
einem ansonsten reichlich langen Festspielabend.
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