Nürnberger Zeitung, 7.4.2012
Egon Bezold
 
Bizét: Carmen, Salzburger Osterfestspiele, 31. März 2012
 
Berliner Philharmoniker verabschieden sich mit "Carmen"
 
Bei den Salzburger Osterfestspielen geht eine Ära zu Ende

Als sich im Großen Festspielhaus zu Salzburg der Vorhang hob zum Eröffnungsbild von Georges Bizets „Carmen“, wurde es manchen Besuchern schwer ums Herz. Denn die Berliner Philharmoniker bestreiten das letzte Mal ihre Osterfestspiele in Salzburg. 45 Jahre lang gaben sie dem von Karajan gegründeten Festival das unverwechselbare Profil einer elitären Institution.

Über Befürchtungen, Salzburg würde die Oster-Festspiele in der bisherigen Form verlieren, wurde bereits l998 heiß diskutiert, als die Karajan-Osterfestspiele-Stiftung die maroden Pfingstfestspiele nach Baden-Baden verlegte. Als unlängst nach einem Betrugsskandal der Musikmanager Peter Alward zum neuen Intendanten bestellt wurde, war ein neuer Kurs angesagt. Pläne wurden geschmiedet, Kooperationsvorhaben mit großen Häusern angekündigt. Doch dann kam die spektakuläre Überrumpelung, dass die Berliner Philharmoniker wegen nicht erfüllbarer finanzieller Forderungen ihre musikalischen Zelte künftig in Baden-Baden aufschlagen würden. Dort hatte der Intendant Andreas Mölich-Zebhauser ja längst den roten Teppich ausgelegt.

Für so manche Festspielbesucher bleibt das unvermittelt herbeigeführte Ende der Berliner Osterfestspiele unverständlich. Wird diesem Transfer nachhaltiger Erfolg beschieden sein? Zweifel daran hegt jedenfalls der Intendant des mit Salzburg kooperierenden Teatro Real Madrid, Gérard Mortier.

Der Philharmoniker-Abschiedszyklus in Salzburg hinterlässt zwiespältige Eindrücke. Auf dem Programm steht Bizets populäre „Carmen“ als Rekonstruktion der ursprünglichen Fassung mit gesprochenen Dialogen. Inszeniert und choreografiert hat den Mythos ein britisches Team aus London, die Regisseurin und Choreografin Aletta Collins und Bühnenarchitektin Miriam Buether.
Die Regie erinnert an ein Musical

Innovative Einsichten gewann Collins mit ihrer konventionellen Regie und ihrem Bewegungsfimmel nicht. Und sie ist keine Regie-Geheimwaffe. Fast „Musical like“ ereignen sich auf einem Laufsteg rund um den Orchestergraben die wirbelig stampfenden Einlagen der Flamenco-Tänzer. Vieles wird in farbfrohen pittoresken Arrangements dargeboten.

Mit einstudierten, stereotyp wirkenden Bewegungen setzt sich darin die Carmen der Magdalena Kozená in Szene. Sie entspricht in ihrer selbstbewusst die Freiheit betonenden Haltung alles andere als den Typ einer glutäugigen Verführerin. Wenn sie denn gelegentlich erotische Rundumblicke gewährt, sich im traditionellen Sinn als stolze Carmen offenbart und dem Schicksal unverdrossen trotzt, dann wünschte man sich eine strahlkräftiger leuchtende Stimme, darstellerisch auch ein suggestiv vielschichtigeres Profil. Schon eher entwickelt die Kozena das Rollenporträt einer mutigen Frau, die mehr mit distanzierender Kühle als mit flammender Leidenschaft und Sinnlichkeit zu überzeugen versucht.

Jonas Kaufmann als Don José ist ihr routinierter Gegenspieler, der mit lyrischer Bewegtheit überzeugt und sich in dramatischen Attacken emotional bis zum Exzess verzehrt. In tieferen Regionen wirkt die Stimme eher beengt, guttural. Die Rolle der Micaela, wohl der vokale Höhepunkt der Inszenierung, gestaltet Genia Kühmeier couragiert mit kraftvoller Stimme und sympathischer Ausstrahlung. Kostas Smoriginas bleibt als Escamillo farblos.

Simon Rattle und Berlins Philharmoniker entbinden dieser genial ausgeformten Partitur sowohl den brutalen Realismus als das leichtfüßig-französische Parlieren. Freilich geschieht dies nicht ohne konzertanten Aplomb mit hochgezogener Dynamik.

Wie geht es weiter im österlichen Salzburg? Ab 2013 wird Christian Thielemann am Pult der Sächsischen Staatskapelle Dresden als künstlerischer Leiter den Ton angeben. Der große Bewunderer von Karajan verkündet, dass er die Tradition, hohe Qualität zu pflegen, weiterführen und Akzente eigener Art setzen werde. Er wird zum Wagner-Jahr den „Parsifal“ in der Inszenierung von Michael Schulz dirigieren. Erfreulich, dass die Kartenpreise für Oper und Orchesterkonzerte durchschnittlich um 6,5 Prozent gesenkt werden. Man will vom negativen Image eines elitären Höchstpreisfestivals abrücken.
 






 
 
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