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Tiroler Tageszeitung, 2.4.2012 |
Von Jörn Florian Fuchs |
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Bizét: Carmen, Salzburger Osterfestspiele, 31. März 2012 |
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Viel Lärm um ziemlich wenig
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Femme fatale? Fehlanzeige: Aletta Collins inszeniert bei den
Salzburger Osterfestspielen Georges Bizets „Carmen“ als sinnfreies und
belangloses Schaulaufen mit Magdalena Kožená und Jonas Kaufmann.
Salzburg – Eine heißblütige, aber sehr wankelmütige Frau zwischen mindestens
zwei Männern – das ist, kurz gefasst, die Handlung von Bizets „Carmen“. Um
diese Oper wirkungsvoll auf die Bühne zu bringen, braucht es ein paar
Zutaten: eine nicht nur vokal temperamentvolle Sängerin für die Titelpartie,
ein blech- und taktsicheres Orchester sowie eine Regie, die zumindest Carmen
und den von ihr verschmähten Don José wirkungsvoll in Szene setzt. Letzterer
sollte vielleicht auch noch ganz schön und authentisch schluchzen können. In
Salzburg sind die Zutaten leider teilweise unausgewogen oder fehlen zur
Gänze.
Da ist das Orchester: die Berliner Philharmoniker drehen unter
ihrem Chef Simon Rattle gehörig auf, es kracht und wummert gewaltig. Die
lauten Stellen klingen mal imposant, mal arg übersteuert.
Leider
kennen Simon Rattle und die Berliner an diesem Abend vorwiegend zwei
Lautstärken: leise verhalten oder brüllend massiv. Auf die Dauer wirkt das
ziemlich ermüdend, man ahnt recht bald, was gleich wohl kommt – und hält
sich gegebenenfalls die Ohren zu. Ganz sauber spielte der preußische
Spitzenklangkörper übrigens auch nicht. Immer wieder stellten sich kleinere
Wackler und Unschärfen ein. Rattles Lebensgefährtin Magdalena Kožená darf
die Carmen geben, das Orchester hüllt sie in vorwiegend wunderschöne,
leichte Samtgewänder mit reichlich Farben, Luft und Licht ein. Koženás Kehle
entströmen zarte und warme Töne. Man hört ihr wirklich gerne zu und lässt
sich umschmeicheln. Gelegentlich schreckt man aber kurz hoch und erinnert
sich: Ach ja, eigentlich ist das hier ja „Carmen“. Eine Femme fatale mit
abgründigem Gefühlsleben und vokaler Wut müsste da performen. Leider
Fehlanzeige! Kožená glüht vokal wie szenisch allenfalls zaghaft. Mit Bizets
sinistrer Heldin hat das, auch mit viel gutem Willen, gar nichts zu tun. In
rötlich schimmerndem Kleid mit ebensolchen Haaren vollbringt sie nur
Standardoperngesten, ansonsten bleibt sie ein liebes Mädel von nebenan,
nicht weiter auffällig. In Jonas Kaufmanns Don José hat sie ein ideales
Gegenüber. Auch hier wird wie im Opernmuseum geschmachtet und gelitten. Und
stimmlich braucht Kaufmann ziemlich lange, um von unangenehm gaumigen
Quetsch-Lauten zu organisch fließenden Bögen zu gelangen. Die einzig echte
Rollen füllende Stimme dieser Premiere war Genia Kühmeiers Micaëla – schön
eingedunkelte Sehnsuchtskantilenen flogen mühelos durchs Große Salzburger
Festspielhaus.
Exzellent waren die Chöre (Konzertvereinigung Wiener
Staatsopernchor, einstudiert von Simon Halsey, sowie der Salzburger
Festspiele Kinderchor, einstudiert von Wolfgang Götz). In den kleineren
Partien überzeugten Rachel Frenkel (Mercédès) und Christina Landshamer
(Frasquita). Kostas Smoriginas sang einen recht brummeligen Escamillo.
Als Regisseurin und Choreographin nennt das Programmheft die Engländerin
Aletta Collins. Die arbeitet fleißig und mit Erfolg am Londener Covent
Garden. Aber warum in aller Welt macht sie „Carmen“ in Salzburg, übrigens
ihre allererste Regiearbeit? Ihr fällt bemerkenswert wenig bzw. nur wirres
Zeug ein. Auf der mit viel Holz ausgeschlagenen Bühne wird munter getanzt,
ganz vorne läuft ein Steg nah an Publikum und Orchester vorbei. Darauf
schwingen Flamenco-Girls ihre Beinchen. Weiter hinter sieht man ein karges
Niemandsland, eine schummrig verrauchte Theater-Spelunke oder einen
Straßenzug. Mal scheinen wir in einer kafkaesken Behörde zu sein, dann
laufen Toreros mit Schwellköpfen herum, während es vom Bühnenhimmel Konfetti
regnet. Ziemlich sinnfrei und belanglos, das Ganze. Also gerade richtig für
ein Publikum, das Oper gern kulinarisch hat und dafür auf den besten Plätzen
über 500 Euro bezahlt.
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