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Der Standard, 01. April 2012 |
Ljubisa Tosic |
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Bizét: Carmen, Salzburger Osterfestspiele, 31. März 2012 |
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Opernrucksack voll deftiger Posen
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Bizets "Carmen": Jonas Kaufmann und Genia Kühmeier gaben bei den
Osterfestspielen einer respektablen Routineinszenierung glanzvolle
Musikmomente |
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Salzburg - Der Applaus war von so viel freundlicher Milde durchdrungen, dass
man sicher war, all diese Begeisterten würden kommendes Osterjahr nach
Baden-Baden pilgern, um den Berliner Philharmonikern an ihrer neuen
Festivalstätte wiederzubegegnen. Von einer gewissen Gekränktheit darüber,
dass sich jenes Orchester, mit dem Karajan einst diese Osterfestspiele
begründet hatte, absentiert, jedenfalls keine Spur:
Nach dem Applaus
zu urteilen, würde es 2013, wenn Christian Thielemann mit den Dresdnern
Salzburgs Ostern übernimmt, reichlich Plätze für neue Gäste geben. Wobei:
Vielleicht war auch nur Carmen schuld an der festlichen Laune. Bei diesem
hitprallen Blockbuster muss man schon sehr viel falsch machen, um nicht zu
beglücken.
Und wirklich verhaut wurde ja auch nichts. Regisseurin
Aletta Collins siedelt die Geschichte einer verhängnisvollen Besessenheit in
den 1930er-Jahren an (wohl zur Zeit des Spanische Bürgerkriegs). Soldaten
machen sich in einer Tschickfabrik breit (Bühnenbild: Miriam Buether), in
der Carmen und Don José einander begegnen, nachdem sie mit einem Aufzug
herabkam, in dem sie mit einem anderen intim zur Sache ging.
Der
erste Blick zwischen den Hauptturteltauben, ein Moment gegenseitiger
Hypnose, ist dann einer jener gelungenen, da szenische und orchestrale
Intensität subtil verschmelzen. Solcherlei Gleichzeitigkeit hätte man ruhig
stärker ins Angebot nehmen dürfen. Während auf der Bühne jedoch ein
tanzverliebter Hang zu revueartiger Opulenz vorherrschte, bemühte sich
Dirigent Simon Rattle um sentimentfreie Kammermusik. Gegen Letzteres ist
nichts zu sagen. Einmal eine von stampfenden Wunschkonzertderbheiten
befreite, klangsensitive Variante zu hören, macht Sinn und war punktuell
auch möglich.
Allerdings arbeitete man im Orchestergraben an der
Quadratur des Opernkreises: da die Sänger nicht zudecken, aber doch Impulse
verleihen, dort sich gegen eine bisweilen derb-laute Inszenierung behaupten,
ohne selbst in Derbheit zu verfallen. Und all dies, in einem akustisch
heiklen Ambiente wie dem Festspielhaus, war ein bisschen viel der Aufgaben.
Wenn ein grandioses Orchester quasi klingt wie eine allzu leise, stilisierte
Flamenco-Gitarre, dann stimmt jedenfalls die Balance zwischen ästhetischem
Wunsch und Bühnenpragmatik nicht. Und: Ein Klangkörper sollte nicht wirken,
als würde er an seinem eigenen Verschwinden arbeiten.
Immerhin ein
fast durchgehend gutes Gesamtensemble, wobei: Jonas Kaufmann (Don José) ist
ein Wunder an so samtiger wie vital umgesetzter Liebespein. Und Genia
Kühmeier (Micaëla) demonstriert ihre herausragende Stellung als einer der
edlen Soprane. Im Vergleich dazu wirkte Magdalene Kozena (Carmen) allerdings
nur passabel, besonders in der Vokaltiefe fehlte Eindringlichkeit.
Von Pose zu Pose
Vielleicht wäre mehr möglich gewesen, hätte die
Regie Kozena nicht einen beschwerenden Rucksack voll von erotischen
Klischeeposen umgehängt. So hüpfte die Frau des Dirigenten unsouverän von
einer breitbeing-deftigen Stellung zur nächsten. Verständlich, dass bei so
viel Gymnastik wenig Kraft blieb, die Figur aus dem Plakativen zu holen.
Carmen, ein ungehobelt-wildes Mädchen. Na ja.
Ihrem Ende geht diese
platte Verführerin jedoch frei von Aufgesetztheit entgegen; fast unbeschwert
wirkt sie in Erwartung neuer Abenteuer (solide Kostas Smoriginas als
Escamillo). Leider kommt Don Josés Messer dazwischen. Und leider reicht auch
zum Finale der vokale Carmen-Charme nicht aus, um Besonderes herbeizuführen.
Ein respektabler Berliner Abschied aus Salzburg, dank, das muss gesagt sein,
des Traumpaares Kaufmann/Kühmeier.
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