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Südtirol Online, 1. April 2012 |
C.F. Pichler |
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Bizét: Carmen, Salzburger Osterfestspiele, 31. März 2012 |
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Carmen tanzt sich in den Tod
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Die Oper „Carmen“ von Georges Bizet war bei der Uraufführung am 3. März 1875
kein Erfolg. Allein das berühmte Auftrittslied der Titelheldin musste der
Komponist 13. Mal umschreiben, weil es der ersten „Carmen“ Galli-Marié nicht
gefiel, bis er schließlich ein spanisches Volkslied von Sebastián Yardier
verwendete, das ihm Unsterblichkeit verlieh, als er daraus die berühmte
„Habanera“ machte.
Im fernen Russland vertiefte sich kurz nach dem
„Reinfall“ der kränkliche Tschaikowski staunend in die Partitur und sagte:
„Ich bin überzeugt, dass in zehn Jahren die populärste Oper der Welt wird!“
Sie ist es auch heute noch.
Wenn nun die Berliner Philharmoniker und
ihr Chef Simon Rattle mit einer Neuinszenierung ihre Ära der Salzburger
Osterfestspiele beenden, dann sind die Erwartungen immens, weil auch
Magdalena Kožená als Titelheldin debütiert. Also endlich eine neue „Carmen“
die die englische Choreographin Aletta Collins mit allem erdenklichen Pomp
im Bühnenbild von Miriam Buether in Szene setzt.
Ein bespielbarer
Steg kreist das Orchester ein, was dazu führt, dass ein seltsam
aufoktroyierter Klang das Szenische stört.
Doch den Berliner
Philharmonikern fehlt auch Wesentliches für die Opern, was für die Wiener
Philharmoniker ganz selbstverständlich ist, (sie sind „die“ Sonderklasse)
nämlich das Spiel mit den Sängern. Besonders die (Holz) Bläser spielen an
den Sängern vorbei, sind zu exponiert und was noch mehr irritiert ist die
oft unreine Intonation.
Auch Simon Rattle bleibt vieles schuldig,
weil er erstens oft mit viel zu dreistem Drive den Klang ins Forte gleiten
lässt und zweitens fehlt vielfach das szenisch besonders wichtige
Rubatospiel.
Die Regisseurin hingegen setzt auf große Oper mit wagen
Bezug auf das Franco-Regime, aber ohne auch nur einen Hauch von Psychologie
in der Personenführung. Ausstattungsoper mit lauter alten
Lichtverfolgerkegeln.
Was besonders nervt sind die überhaupt nicht
durchchoreografierten Szenen mit Chor, Statisten und Tänzern. Alle, mimisch
total vernachlässigt, versinken im Beiläufigen und die Tänzer sind mit
antiquierten Balletteinlagen bei Gelegenheit präsent.
Frau Collins
wird bejubelt! Und Magdalena Kožená als Titelheldin? Sie hat sich ja lange
und intensiv mit der Rollengestaltung beschäftigt und zwar so, dass jede
Geste, jeder Schritt, jede Bewegung einstudiert und artifiziell wirkt. Ihr
ist das Amoralische jenseits von Gut und Böse nicht anzumerken, weil das
unbedingt Leidenschaftliche einer wilden Erotik fehlt. Sie tanzt sich
(allein) in den Tod. Und obwohl sie schöne Momente in den Kantilenen, in den
Chansons und eine besonders schöne französische Diktion hat, ist ihre Stimme
doch viel zu klein, auch wenn sie – oft szenisch unmotiviert – auf dem
Podest vor dem Orchester singt.
Jonas Kaufmann als „Don José“ ist
dagegen ein seltenes dauerengagiertes Erlebnis von einem der nichts
miteinander hat und der als labiles Muttersöhnchen an einer unmöglichen
Liebe mit extremer Leidenschaft zerbricht und mordet, weil er mit seiner von
hinten angesetzten Stimme herrliche Höhen und sublime Piani bis zum
ergreifendsten Schlusston singt. Sein Gegenspieler „Escamillo“ - Kostas
Smoriginas – ist jung, elegant und sexy der recht brav singt.
Genia
Kühmeier ist eine sensationelle und überragende „Micaëla“, die grandios mit
Jonas Kaufmann das Duett als rührende Rotkreuzschwester singt, und die in
der Arie des 3. Aktes zeigt, wie wunderbar sie das ideale feminine Gegenbild
zur „Carmen“ ist. Eine Sternstunde für sie!
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