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Der Tagesspiegel, 23.4.2012 |
Von Christine Lemke-Matwey |
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Bizét: Carmen, Philharmonie Berlin, 21.4.2012 |
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Es kracht und rummst
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Philharmonie: Rattles konzertante „Carmen“ |
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Was für eine Stimme, was für ein quellfrisches, rotkehlchengleich sich
verströmendes, die Philharmonie flutendes Soprantimbre! Die Österreicherin
Genia Kühmeier als Micaela ist der Star dieser von den Salzburger
Osterfestspielen entliehenen, konzertanten „Carmen“. Schade dass Bizet nur
zwei Arien für sie geschrieben hat. Zum Niederknien, mit welch makellosem
Tränenflor Kühmeier ihr „Je dis que rien me n’épouvante“ im dritten Akt
ausstattet, Erinnerungen an die junge Anna Netrebko werden wach.
Eine
„Carmen“ aber, in der Micaela abräumt, hat ein Problem. Dieses heißt gar
nicht so sehr Magdalena Kozena, deren Besetzung in der Titelpartie man
sicher anzweifeln kann: Der Tschechin fehlt die Höhe, ja überhaupt die
stimmliche Statur für dieses Fach, also arbeitet sie mit Druck – zu Lasten
der Flexibilität.
Wie Kozena ihre Defizite kompensiert, ist
allerdings ausgesprochen intelligent.
Das Problem heißt auch nicht
Jonas Kaufmann als Don José, der die Blumenarie zwar in mehrere Teile fräst
und generell leicht heiser wirkt, vor der Stierkampfarena aber zu großer
Form aufläuft. Ihm kann der Escamillo des jungen Kostas Smoriginas zu keiner
Zeit gefährlich werden, und auch das übrige Ensemble erreicht bestenfalls
Mittelmaß.
Das Problem sind Simon Rattle und die Philharmoniker, die
so tun, als säßen sie allein auf dem vollen Podium. Da kracht’s und rummst’s
ohne Rücksicht auf Verluste, ohrenbetäubend von Anfang an. Das Orchester ist
weder willens noch in der Lage, den Sängern zuzuhören, und auch Rattle hat
offenbar keine Lust auf die Finessen einer Opéra comique, schlägt Übergänge
à tempo durch und lässt selbst den gewieften Staatsopernchor mehrfach im
Regen stehen. Fast könnte einem vor der philharmonischen „Zauberflöte“ 2013
im neuen Osterdomizil Baden-Baden jetzt schon angst und bange werden.
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