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rbb kulturradio, 18.02.2012 |
Andreas Göbel |
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Liederabend, Berlin, Philharmonie, 17. Februar 2012 |
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Philharmonie Berlin: Liederabend Jonas Kaufmann
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Bewertung:***** |
Am Ende ist ihm der Vorrat ausgegangen. Nach sieben Zugaben musste Jonas
Kaufmann eingestehen, nichts weiter vorbereitet zu haben. Das Publikum
wollte ihn trotzdem nicht gehen lassen, und so hat er als achte Zugabe noch
einen Operettenschlager von Franz Lehár aus den Noten seines Klavierpartners
Helmut Deutsch gesungen. Aber das hätte noch lange so weitergehen können;
das Publikum war auch nach weit über zweieinhalb Stunden nicht müde.
Nun ist der Große Saal der Berliner Philharmonie nicht gerade für einen
Liederabend prädestiniert – mit seinen über zweitausend Plätzen kein allzu
intimer Raum. Jonas Kaufmann hat jedoch eine sehr kluge Liederauswahl
getroffen: nichts allzu Zerbrechliches. Liszt und Strauss vertragen durchaus
eine etwas dynamischere Herangehensweise, und auch die Lieder von Henri
Duparc sind sehr dicht komponiert und klanglich intensiv. Allein die
Rückert-Lieder von Gustav Mahler entfalten ihren ganzen Zauber nur mit
Orchesterbegleitung, obwohl von beiden grandios interpretiert.
Als Liedersänger stehen Jonas Kaufmann unbegrenzte Mittel zur
Verfügung
Von Heldentenorattitüde bis zu verschwindend
leiser Tongebung, wo es in der Höhe fast schon ein wenig kritisch wird, kann
er alles. Er ist vor allem denkbar flexibel. Es gibt bei ihm nicht den
routinierten Tonfall; vielmehr fragt er immer vom jeweiligen Lied und seinen
speziellen Anforderungen aus. Den sechs ausgewählten Liedern von Franz
Liszt, weniger Lieder im klassischen Sinne als vielmehr kleine Szenen und
Momentaufnahmen, begegnet er mit einfacher, klarer, eindeutiger Aussage,
konsequent vom Text ausgehend. Bei Gustav Mahler und Henri Duparc (letzterer
sehr selten zu hören!) taucht er ein in die klangliche Atmosphäre, nähert
sich impressionistischen Bereichen an und erschafft neben der textlichen
Aussage immer auch eine zusätzliche Dimension des Hintergrundes. Kaufmann
zaubert kleine Kunstwerke – differenziert, überlegt und hoch intelligent.
Helmut Deutsch hat sich selbst übertroffen
Erfolgsgarant für das Gelingen des Abends war Helmut Deutsch, weil er kein
Lied-Begleiter, sondern gleichberechtigter Partner ist. Sehr umsichtig,
sicher, aber doch auch selbstbewusst, als räumliche Facette, jedoch mehr
noch als Kommentar legt er eine weitere interpretatorische Ebene an. Bei den
Liszt-Liedern etwa, mal brillant glitzernd, dann wieder karg und trocken,
spielt er so plastisch, dass der Sänger herausgefordert ist, dazu eine
Haltung einzunehmen – die Stärke eines herausragenden Liedpartners. Nun
überrascht diese Qualität bei Helmut Deutsch nicht – seit Jahrzehnten ist er
einer der besten und erfolgreichsten seines Fachs. An diesem Abend hat er
sich jedoch fast selbst übertroffen.
Die Krönung des Abends
waren die Zugaben
Eine Sternstunde mit zahlreichen
Höhepunkten, und doch waren die Lieder von Richard Strauss – sechs
angekündigte plus sechs als Zugabe – die Krönung des Abends. Jonas Kaufmann
interpretiert jedes Lied anders. Vor allem läuft er nie Gefahr, das hoch
Artifizielle dieser Lieder noch zu übertreiben – im Gegenteil: So
kontrolliert und überlegen begegnet man diesen heiklen Miniaturen selten.
Und dennoch: Ein Höhepunkt, der alles andere in den Schatten gestellt hat,
war das Strauss-Lied "Morgen". Wie Jonas Kaufmann und Helmut Deutsch die
darin auskomponierte Stille geradezu körperlich haben spüren lassen, so
großartig verzögert und Pausen gesetzt haben, dass man das Gefühl, die Zeit
würde still stehen und einem der Atem anfing zu stocken – das war Liedkunst
in Vollendung. Schade für jeden, der das verpasst hat. Andreas Göbel,
kulturradio |
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